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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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sprechen von
einem >unschätzbaren Fund<«, vermeldet die Reporterin. »Zu den Anschuldigungen
haben wir den Pressebeauftragten des Projekts, Guido LaManche, befragt.«
    »Nein«, sagt Howard vernehmlich.
    Aber er ist es: Guido LaManche, der Unterhosenhochzieher,
der berüchtigte Furzer, Schulchampion im Doughnut-Wettessen, Pionier des Bungee-Jumpings
in Irland - da steht er nun in einem gut geschnittenen Anzug und sagt zu der
Reporterin, soweit er das beurteilen könne, werde hier viel Lärm um so gut wie
nichts gemacht.
    »>Ein Fund von unschätzbarem Wert<«, ruft die
Reporterin ihm ins Gedächtnis.
    Guido gestattet sich ein leises, andeutungsweise kokettes
Kichern. Das Leben hat es gut mit ihm gemeint; er ist schlanker und fitter als
früher, spricht mit dem Selbstbewusstsein und der Sicherheit des globalen
Gestalters. »Nun ja, Ciara, in einem Land wie Irland kann man bekanntlich
nicht einmal eine Sandburg bauen, ohne auf einen Fund von unschätzbarem Wert zu
stoßen. Wenn wir jedes einzelne historische Hölzchen und Stöckchen einzäunen
wollten, das wir entdecken, bliebe buchstäblich nichts mehr übrig, wo noch
jemand wohnen könnte.«
    »Sie plädieren also dafür, es einzuebnen«, sagt die
Reporterin.
    »Ich plädiere dafür, uns zu fragen, wo unsere Prioritäten
liegen. Denn was wir hier bauen wollen, ist mehr als nur ein Technologiepark.
Es ist die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Es bedeutet Arbeit und
Sicherheit für unsere Kinder und Kindeskinder. Wollen wir einer dreitausend
Jahre alten Ruine wirklich einen höheren Wert beimessen als der Zukunft unserer
Kinder?«
    »Und wie steht es mit der Einschätzung, dass diese
>Ruine< uns einzigartige Einblicke in die Ursprünge unserer Kultur
gewährt?«
    »Lassen Sie mich die Frage anders stellen. Wenn die
Positionen vertauscht wären, meinen Sie, die Menschen hätten vor dreitausend
Jahren den Bau ihrer Festung eingestellt, um die Ruine unseres
Technologieparks zu erhalten? Selbstverständlich nicht. Sie wollten
voranschreiten. Der Grund, warum wir es zu unserer heutigen Zivilisation
gebracht haben - der einzige Grund, warum Sie und ich hier stehen -, ist genau
dieser: dass die Menschen weiter vorangeschritten sind, statt zurückzublicken.
In der Vergangenheit wollte jeder mit aller Macht Teil der Zukunft sein, so
wie heutzutage in der Dritten Welt jeder Teil der Ersten sein will. Und wenn sie
die Wahl hätten, würden sie auf der Stelle mit uns tauschen!«
    »Voranschreiten!« Howard klatscht in die Hände, als wolle
er ein Rennpferd anfeuern; in dem Moment fällt der Strom aus und lässt ihn mit
seinem Bier im Dunkeln sitzen.
    Voranschreiten. Nach dem missglückten Sprung im Steinbruch
war Guido zu einer Privatschule auf Barbados gewechselt und nie wieder
gesichtet worden. Viel geändert hatte das nicht - in den Augen der Schule war
Howard der eigentlich Schuldige. Feigheit, das war die eine unverzeihliche
Sünde für einen Jungen aus Seabrook. Die meisten besaßen immerhin die
Freundlichkeit, es ihm nicht ins Gesicht zu sagen, doch es war ihm bei jedem
Atemzug bewusst und hat ihn seither Tag und Nacht begleitet.
    Guido hat es nicht begleitet. Guido ist vorangeschritten.
Er hat sich nicht den gesamten Verlauf seines weiteren Lebens von einer
flüchtigen Episode diktieren lassen. Für Guido war die Vergangenheit nichts
anderes als ein Dritte-Welt-Land: eine Rohstoffquelle, die man ausbeutet und
hinter sich lässt, wenn die Zeit reif ist. Und deshalb wird die Zivilisation
von Männern wie ihm und dem Automator vorangetrieben, nicht von Männern wie Howard,
die nie ganz begriffen haben, welche Geschichten entbehrlich sind und welche,
wenn überhaupt, man tatsächlich glauben sollte.
    Er lacht immer noch - oder weint er? -, als das Telefon
klingelt. Er braucht eine Weile, um es in dem stockfinsteren Chaos ausfindig
zu machen, aber der Anrufer ist hartnäckig. Als Howard rangeht, fragt eine
männliche Stimme in barschem Ton, der die Jugend ihres Besitzers nicht gänzlich
kaschieren kann: »Mr. Fallon?«
    »Wer spricht denn da?«
    Zögerliches Schweigen, dann: »Ruprecht. Ruprecht Van Doren.«
    »Ruprecht?« Howard überkommt das beunruhigende Gefühl,
dass hier zwei Welten aufeinanderstoßen. »Woher hast du denn meine Nummer?«
    Es raschelt, wie wenn sich Nagetiere im Unterholz balgen,
dann: »Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Jetzt?«
    »Es ist wichtig. Kann ich zu Ihnen kommen?«
    Benommen beäugt Howard das Licht-und-Schatten-Tohuwabohu
in seiner

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