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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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verwahrlosten Behausung. »Nein ... nein, ich glaube, das wäre nicht
ganz passend.«
    »Dann bei Ed's? Bei Ed's, in einer halben Stunde?«
    »Bei Ed's?«
    »Neben der Schule. Es ist wichtig, halbe Stunde, okay?«
Der Junge legt auf. Howard steht einen Augenblick in heilloser Verwirrung da,
den Summton im Ohr. Dann geht ihm die Bedeutsamkeit des Treffpunkts auf, und
gleichzeitig dämmert es ihm, dass es nur einen Grund geben kann, warum Ruprecht
sich auf einmal so dringend mit ihm treffen will. Irgendwie hat er Verdacht
gegen den Trainer geschöpft.
    Howard verlässt das Haus im Sturmschritt und zieht sich im
Laufen eine Jacke über. Draußen herrscht beißende Kälte, die im Verein mit der
gespannten Erwartung den Bierdunst aus seinem Kopf vertreibt. Was hat Ruprecht
herausgefunden, und wie? Ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt? In das
Computernetzwerk der Schule eingedrungen? Oder hat Juster womöglich etwas
Schriftliches hinterlassen, das erst jetzt aufgetaucht ist? Howard steigt ins
Auto; mit jedem Meter, der ihn der Antwort näher bringt, wächst sein Hochgefühl
und umweht ihn wie die eisige Luft aus dem Gebläse. Atemlos stürmt er beim
Doughnut House zur Tür herein.
    Drinnen ist es so gut wie leer; Ruprecht sitzt allein an
einem Zweiertisch, vor sich eine Schachtel Doughnuts und zwei Styroporbecher.
»Ich wusste nicht, welche Sorten Sie mögen -«, er deutet auf die Schachtel.
»Deshalb habe ich ein Sortiment genommen. Und ich wusste auch nicht, was Sie
gern trinken, darum habe ich Sprite genommen.«
    »Sprite ist genau richtig«, sagt Howard. »Danke.« Er nimmt
Platz und sieht sich um. Es ist Jahre her, seit er zum letzten Mal hier gewesen
ist. Viel verändert hat sich nicht: typisch amerikanisehe Bilder an den
Wänden, von hinten beleuchtete Fotos von Süßgebäck und Croissants über der
Theke, dazu der unbestimmbare Geruch - nach Neonröhren vielleicht, oder nach
Styroporbechern oder der undurchsichtigen Brühe, die sie einem als Kaffee
verkaufen. Er erinnert sich, welche Aufregung in der Schule anlässlich der
Eröffnung geherrscht hat. Eine internationale Kette, und das hier in Seabrook!
Damals, als Irland, global gesehen, noch trostloseste Provinz war, kam das
einem mildtätigen Wunder gleich, wie eine neu eröffnete Missionsschule im
Dschungel. Er und seine Freunde waren in den Laden geströmt, dessen Inneneinrichtung
weltweit identische, beruhigend nichtssagende Massenkonfektion war, und hatten
sich darin, abgehoben von der Elternwelt der Stadt, unmittelbar vor seinen
Toren gefühlt, aufgehoben in einer fast schon mystischen Umgebung jenseits der
Begrenzungen von Raum und Zeit, einem Überall und Nirgends, das den Jungen
gehörte.
    »Es tut mir leid, dass man Sie gefeuert hat«, sagt
Ruprecht zu ihm.
    Howard wird rot. »Man hat mich nicht direkt, äh, es ist
mehr eine Art Freisemester...«
    »War es, weil Sie mit uns in den Park gegangen sind?«
    Warum ist ihm das so peinlich? Er tut, als hätte er die
Frage überhört. »Nicht viel los heute Abend«, sagt er mit gläsernem Lächeln.
    »Es kommt kaum noch wer her«, entgegnet Ruprecht monoton.
    Und warum kommt dann ausgerechnet er immer noch her? Howard verkneift sich die Frage. »Schön,
dich zu sehen, Ruprecht. Ich wollte mich ohnehin mal ein bisschen mit dir
unterhalten.«
    Ruprecht sagt nichts, behält ihn im Auge. Howards Mund ist
staubtrocken; er trinkt einen Schluck Sprite. »Du hast am Telefon gesagt, es
gäbe etwas Wichtiges zu besprechen.«
    Ruprecht nickt. »Ich wollte bloß etwas wissen, wegen dem
Projekt, an dem ich gerade sitze«, sagt er in sorgsam neutralem Ton. »Was für
ein Projekt?«
»Eine Art
Kommunikationsprojekt.«
    Ganz kurz sieht er in Ruprechts Blick etwas aufblitzen,
dann ist es auch schon wieder in die unergründlichen Tiefen seines Gemüts
abgetaucht. »Das ist schön«, sagt er. »Dass du mit einem Projekt beschäftigt
bist. Nachdem du ja in letzter Zeit offenbar nicht so ganz auf der Höhe warst.
Du weißt, du warst im Unterricht nicht mit so viel Interesse dabei wie sonst.«
    Ruprecht erwidert nichts darauf, sondern malt mit seinem
Strohhalm unsichtbare Ideogramme auf die Tischplatte.
    »Seit dem, was, äh, was mit Daniel passiert ist«,
erläutert Howard. »Ich meine, das scheint dich sehr mitgenommen zu haben.«
    Der Junge widmet sich weiter mit ungeteilter
Aufmerksamkeit seinen Strohhalmzeichnungen, doch seine Wangen färben sich
scharlachrot, und er sieht elend aus.
    Howard sieht sich um. Außer ihnen sitzt

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