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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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afrikanische Männer
haben?
    Pater Dundon seufzt. Ich frage mich oft, ob wir das
Richtige getan haben. Im Radio hat einer gesagt, die Kirche sei schuld an der
Ausbreitung von Aids in Afrika. Der Papst sei verantwortlich für den Tod von
zweiundzwanzig Millionen Menschen.
    Also, das ist -
    Von allen dummen -
    Das sind doppelt so viele wie unter Hitler, fährt Pater
Dundon fort.
    Ach, also - sie wissen, dass das nicht stimmt, aber sie
wissen nicht, warum; in Erwartung einer Entgegnung sehen sie Pater Green an.
Wir können Gottes Wort nicht neu schreiben, sagt er verbindlich. Und Krankheit
ist kein Freibrief für Sittenlosigkeit, auch nicht in Afrika.
    Es sind aber nicht alle wie wir. Wieder richtet Pater
Zmed seinen eigentümlich durchdringenden Blick, sein kaum wahrnehmbares
Lächeln auf Pater Green. Nicht jeder hat die ... moralische Kraft zur
Abstinenz.
    Dann müssen sie eben darum beten, erwidert Pater Green
und knüllt abschließend seine Serviette zusammen.
    So, erledigt. Erleichterten Herzens bleibt er bis spät
in die Nacht mit den anderen am Tisch sitzen. Sie tauschen alte Kriegsgeschichten
aus, was sie getan, was sie erreicht haben. Junge Männer, konfrontiert mit
einem aussichtslosen Unterfangen, einem Kontinent, einem ganzen Kontinent, der
an Hexerei glaubt! Eingeborenen, die mit ihnen zum Beten niederknieten, nach
Sonnenuntergang im Busch verschwanden und dann bei Tagesanbruch blutbesudelt
wieder auftauchten, die Augen wie im Wahn verdreht. Nacht für Nacht lag man
halb wach und wartete auf Schritte vor dem Zelt - schlief ein in der Erwartung,
selbst auf dem Altar aufzuwachen! Oder in einem Topf zu schmoren! Kein Platz
für Feinheiten - die einzige todsichere Methode war, ihnen Angst einzujagen.
Sein Name ist Satan. Er lebt an einem Flammenort. Das verstanden sie. Man
zeigte mit weit aufgerissenen Augen in die Wüste. Ja, ja, die Hölle. Nur Gott
kann euch beschützen. Las ihnen Dante vor. Manchmal bekam man selbst Angst!
Aber es funktionierte, das war die Hauptsache! Sie spurten! Sie konnten
lernen, sie konnten aus diesem Elend erhoben werden! Bei aller Barbarei gab es
doch Hoffnung! Die schiere Zahl geretteter Seelen - man kehrte nach Hause
zurück und wusste, dass man etwas getan hatte. Ist es ein Wunder, dass sie sich
nun dorthin zurückziehen, in diese Geschichten, die jeder von ihnen hundertmal
gehört hat, angesichts einer Gegenwart, die nichts als Vieldeutigkeit und
Anklage ist und alles demontieren willen, woran sie geglaubt haben?
    Perverse, Ungeheuer, Gehirnwäscher.
    In seinem Zimmer bleibt Pater Green noch eine Stunde
auf und korrigiert Hausausgaben. Er sitzt im kleinen Lichtkreis der Lampe und
geht die blassen Bilder der Welt durch - zu mietende Fahrräder, zu tätigende
Einkäufe -, die das Lehrbuch den Jungen zu ergänzen aufgibt. Er arbeitet
stetig, ohne Eile. Er weiß genau, wo in dem Stapel Daniel Justers Heft liegt,
tut aber so, als wüsste er es nicht. Bei dem Heft angelangt, streichelt er die
Seite nicht, stellt sich nicht dabei vor, wie die Hand des Jungen langsam darübergleitet,
hält sich weder bei der Schrift mit ihren arglosen, akkuraten Schleifen und
Kreuzen auf, noch schnuppert er am Papier, noch drückt er einen hauchzarten
Kuss darauf.
    Schrift. Kreide auf Schiefer. Platanen vor einer
Kirche, Wind, der aus der Wüste heranweht, sorglos lachende Kinder, die halb
nackt durch die Schulklassen des ernsten jungen Paters zappeln, ebenholzfarbene
Muskeln ... Diese Kinder! Nicht zu bändigen!
    Man konnte sich ein Lächeln nicht verbeißen - und auch
jetzt, als er Jahrzehnte später allein in seinem Bett liegt, die Kinder tot, beruhigend
tot, spielt ein Lächeln um Pater Greens Lippen und trägt ihn in den Schlaf
hinab, einen Flammenschlaf, in dem tausend kleine weiß glühende Wüstenzungen
überall an ihm lecken, sengen, brennen, qualvolle Schuldgefühle, die
grauenvollerweise zugleich unsagbare Ekstase sind.
     
     
    Ruprecht plant etwas. Seit zwei Tagen gibt er vor,
krank zu sein, um aus dem Unterricht wegzukommen; er stopft sein Bett mit
Kissen aus und zieht in sein Labor um. Doch was er dort unten macht, bleibt
selbst seinem Zimmergenossen ein Rätsel - bis Skippy am späten Freitagabend
aufwacht und eine beleibte Gestalt an seinem Bett stehen sieht.
    »Ich befinde mich unmittelbar vor einem historischen
Durchbruch«, sagt die Gestalt.
    »Hat das nicht Zeit bis morgen?«
    Offenbar nicht, denn Ruprecht bleibt verschnupft
schnaufend da stehen, bis Skippy stöhnend die Decke

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