Murray,Paul
großer rotierender Neutronenstern. Möglicherweise ein
Schwarzes Loch, das eine Sonne schluckt. Wir wissen aber, dass es gigantische
Strahlungsmengen aussendet, die täglich die Erdatmosphäre bombardieren, mit Energien
zwischen hundert Millionen und hundert Milliarden Elektronenvolt. In etwa -« er
schaut auf die Uhr »- zwölf Minuten werden wir den größten Strahlungsausbruch
seit dem Sommer erleben. An der Schuluhr wartet ein spezieller Rezeptor darauf,
diese Energie zu nutzen.«
»Wie in Zurück in die Zukunft!, ruft Geoff.
»Von dem Rezeptor-« Ruprecht ignoriert den Einwurf»-
wird die Strahlung in diese Escher-Schleife geleitet.« Er zeigt auf ein dickes
Kabel, das sich auf dem Boden unter den Füßen der Jungen hindurch zur Tür
hinauswindet. »Die Schleife hat einen Radius von etwa vierhundert Metern, sie
führt um die Rugbyfelder herum und wieder zurück. Die kosmischen Strahlen
werden mit Hilfe des Escher-Prozesses der freien Beschleunigung durch die
Schleife geführt und bauen dabei immer mehr Energie auf, bis genug für unsere
Zwecke erzeugt worden ist. Dann kommt sie hierher zurück, in diesen Kompressor
für kosmische Energie. Wenn die optimale Kapazität erreicht ist, wird die
Gravitationskammer in der Kapsel aktiviert, und wir können, wenn alles gut geht,
einen winzigen Spalt im Raum erzeugen. Im Endeffekt machen wir Folgendes: Wir
entlehnen Energie von einem großen, weit entfernten Schwarzen Loch, um ein
kleines lokales, kontrollierbares Schwarzes Loch zu schaffen, genau hier, in
diesem Keller.« Er hält einen Moment inne, um dem ehrfürchtigen Gemurmel der
anderen Raum zu geben, und fährt dann fort: »Durch die Einsteinschen
Gleichungen wissen wir, dass ein Spiegeluniversum auf der gegenüberliegenden
Seite existieren muss, wenn ein Schwarzes Loch mathematisch einen Sinn ergeben
soll. Wir wissen auch, dass die unendliche Gravitation des Lochs alles, was
hineingelangt, sofort zerstört. Aber wenn man es genau am Verlauf der Achse ausrichtet, kann man in den Momenten, bevor sich der
Spalt von selbst wieder schließt, möglicherweise ein Objekt unversehrt durch
das Zentrum des Lochs in das, was dahinter liegt, befördern. Heute Nacht wird
dieser Spielzeugroboter unser Kolumbus sein.« Aus einer Schultasche holt er
einen rot-grauen, etwa fünfundzwanzig Zentimeter hohen Plastikandroiden
hervor.
»Optimus Prime«, flüstert Geoff anerkennend. »Anführer
der Autobots.«
Ein leises Summen dringt aus der alufolieverkleideten
Kapsel. Über die Computerbildschirme daneben schwärmen Unmengen
unverständlicher Zahlen, wie digitale Zauberformeln oder das ekstatische
Geplapper einer fernen, jetzt ganz nahen Wirklichkeit -
»Hey!, Ruprecht, diese anderen Universen - können wir
da hin? Also, wenn dein Portal funktioniert?«
»Wenn das Portal funktioniert«, sagt Ruprecht feierlich
und überreicht jedem eine Schutzbrille, »dann wird ein ganz neues Kapitel in
der Menschheitsgeschichte aufgeschlagen.«
»Krass ...«
»Leb wohl, Erde! Mach's gut, du Stück Scheiße, Italien
ausgenommen.«
»Stell dir das vor, Skip, da draußen könnten Millionen
von Parallel-Loris sein! Ganze Universen voll davon!«
»Ja, klar«, mischt sich Dennis ein, »und Planeten
voller sexsüchtiger Dessousmodels! Galaxien von Mädchen, die ihre ganzen
Zivilisationen auf dem Moment aufbauen, wenn die Virgins of Outer Space in
ihren kleinen Overalls kommen!«
Ruprecht schaut auf die Uhr. »Es ist so weit«, sagt er.
»Zeugen, setzt bitte eure Brillen auf. Zu eurer eigenen Sicherheit. Ich muss
euch bitten, Abstand zu halten. Der Wirbel könnte Strahlung aussenden.«
Skippy und die anderen schieben sich die Brillen über
die Augen, und selbst Dennis ist nicht immun gegen das spannungsgeladene
Kribbeln, das jetzt den schmuddeligen Keller erfüllt, das unabweisbare Gefühl,
dass etwas unmittelbar
bevorsteht. Ruprecht gibt letzte
Zahlen in den Computer ein, dann senkt er Optimus Prime langsam in eine Art
metallene Krippe. Und dort, auf Knien neben der alufolienverkleideten Kapsel,
verharrt er einen Moment - vielleicht wie Moses' Mutter mit ihrem Weidenkorb am
Ufer des Nil -, blickt dem Roboter nachdenklich in die aufgemalten Augen und
überlegt, dass alles, was man tut, ob heroisch oder banal, ob zum Ruhm
gereichend oder zum Scheitern verurteilt, in gewisser Weise ein Abschied von
einer Welt ist, dass die größten Siege deshalb stets vom Schatten des Verlusts
begleitet sind, dass jeder Weg, den man einschlägt, wie erhaben oder
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