Murray,Paul
hier draußen.«
»Sag's
mir einfach.«
»Na
ja, also -« Farley zupft sich umständlich die Manschetten zurecht. »Anscheinend
hat eine gewisse Dame sich freiwillig für die Aufsicht beim diesjährigen
Halloween Hop gemeldet.«
»Aurelie?«
»Ich
hab sie gestern mit Greg reden hören.«
»Warum?«
Da der Hop am ersten Abend der Herbstferien stattfindet, drängt sich
normalerweise niemand danach, die Aufsicht zu übernehmen.
»Versteh
ich auch nicht.« Farley zuckt die Achseln. »Vielleicht meint sie, das ist mal
was Neues.« Er malt mit der Fingerspitze eine Acht auf das Geländer und fährt
leichthin fort: »Die brauchen aber mindestens noch einen Tugendwächter ...«
»Aha«,
sagt Howard, und einen Moment lang sehen sie zu, wie die Wolken sich
zusammenballen und der Abendhimmel sich verdunkelt.
Dann
streckt sich Farley. »Okay, ich brauch was zu trinken«, sagt er. »Kommst du mit
rein?«
»Dann
mach ich auch mit«, sagt Howard zerstreut.
»Irgendwas
von der Bar gefällig, die Damen?«, hört er Farley die beiden Mädchen von der
Bausparkasse fragen. »Die machen hier einen super Snakebite.«
Die
Mädchen kichern; die Tür geht zu. Howard sieht seine Finger am Hals der
Bierflasche blau werden. Er denkt an Halley, an ihren Computer in dem kleinen
Haus, wie sie für diese Woche Feierabend macht und anfängt, das Abendessen
herzurichten. Wenn er nur sicher sein könnte, dass dies das Leben ist, das er
sich wünscht, und nicht nur das Leben, in dem er gelandet ist, weil er Angst
davor hatte, so zu leben, wie er es sich wünschte. Wenn er nur sicher sein
könnte, dass er nicht als feister alter Trottel in einem Sakko von vor dreißig
Jahren enden wird, so hoffnungslos gescheitert, dass er nicht einmal mehr weiß,
wie es auch hätte sein können ...
Als
Howard und Farley in der letzten Klasse waren, wurde Slattery von seiner Frau
verlassen. Den Jungen sagte man es natürlich nicht, aber es war fast sofort
offensichtlich. Der Lehrer erschien mit ungleichen Socken, unrasiert und
verstrubbelt in der Schule. Auf dem Rücksitz seines Autos häuften sich
Fast-Food-Schachteln. Seine Unterrichtsstunden, auch vorher nicht eben geradlinig,
wurden immer weitschweifiger; manchmal brach er ab und schwieg minutenlang,
fasziniert von irgendeinem Detail draußen vor dem Fenster. Eines Nachmittags
hatte mitten in einer dieser merkwürdigen Pausen Guido LaManche aus der letzten
Reihe gerufen: »Wo ist Ihre Frau, Jim?«
Slatterys
Gesichtsausdruck verriet ihn auf der Stelle. Er war zu verdattert, um sich taub
zu stellen oder darum herumzureden, er stand einfach nur mit offenem Mund da.
Genüsslich wiederholte Steve Reece die Frage: »Wo ist Ihre Frau, Jim?« Und im
nächsten Moment nahm die ganze Klasse den Spruch auf und rief immer wieder im
Chor: »Wo ist Ihre Frau, Jim? Wo ist ihre Frau, Jim?«
Slattery
versuchte, es zu ignorieren, und murmelte irgendetwas über das Gedicht, das sie
gerade gelesen hatten, doch der Singsang schwoll an und übertönte ihn, und
schließlich rannte er unter dem Hohngelächter der Schüler aus dem Klassenzimmer.
Tags
darauf fehlte Slatterys Auto auf dem Schulparkplatz, und statt der
Englischstunde mussten sich die Schüler der Dreizehnten von Pater Furlong
einen wie immer reichlich abstrusen Vortrag über Mitgefühl anhören. Dem schloss sich eine
unmissverständlichere Ansprache des Dekans an, der ihnen für den Rest der
Woche den mittäglichen Ausgang strich. Keiner von beiden erwähnte Jim
Slatterys Namen und was sich tags zuvor in seinem Unterricht abgespielt hatte.
Alle
rechneten damit, dass der Englischlehrer sich eine Zeit lang nicht mehr sehen
lassen würde, doch er erschien schon am nächsten Tag wieder zur Arbeit. Auch er
verlor kein Wort darüber, was geschehen war, sondern machte einfach weiter, wo
er aufgehört hatte. Es gab Gekicher, Pfiffe und zweideutige Bemerkungen, aber
die meiste Zeit blieb es ruhig. Ein paar Wochen später hörten sie, dass seine
Frau zu ihm zurückgekehrt war.
Howard
erinnert sich an diesen Nachmittag, als wäre es gestern gewesen: die Seite, bei
der das Buch auf seinem Tisch aufgeschlagen war, das Wetter draußen, die
Gesichter um ihn herum und vor allem Slatterys Gesicht - anfangs verwirrt, als
seien sie in einen Dialekt ausgebrochen, den er nicht verstand, erschüttert
über die Entdeckung, wie grausam seine Schüler sein konnten. Es war das erste
Mal, dass Howard einen Erwachsenen in einem solchen Zustand sah: so
zerbrechlich, als würde er bei der
Weitere Kostenlose Bücher