Murray,Paul
Anblick derart überwältigt, dass sie im
ersten Moment stocksteif stehen bleiben; es ist, als wären sie, hier auf dem
Gelände ihrer Schule, auf Xanadu gestoßen und als fürchteten sie, die Illusion
zu zerstören, diesen schwindelerregenden Traum in alle vier Winde zu zerstreuen
... Doch dann, wie auf Kommando, überlegen sie es sich anders, laufen hinunter
und stellen sich ebenfalls an.
Oben
an der Treppe erteilt der Automator Howard Hasenherz und Miss Mclntyre letzte
Anweisungen: »Es ist jetzt viertel vor acht. Um halb neun müssen die Türen geschlossen sein. Nach
halb neun gibt es absolut keinen einlass mehr, unter gar keinen
Umständen. Vor halb elf Uhr darf niemand ohne Ihre Erlaubnis die Veranstaltung
verlassen. Wer einmal gegangen ist, wird nicht mehr eingelassen. Bei störendem oder
unangemessenem Verhalten sind unverzüglich die Eltern zu verständigen. Und
jeder -«, hier hebt er die Stimme, »- der im Besitz oder unter dem Einfluss von
Alkohol oder Drogen jeglicher Art angetroffen wird, hat mit sofortiger
Suspendierung und späterer eingehender Untersuchung durch den Schulrat zu
rechnen.«
Er
wirft einen sengenden Blick auf die plötzlich verängstigt wirkenden jungen
Leute, die stumm und unbeweglich auf der Treppe stehen und ihren
alkoholisierten Atem anhalten.
»Gut«,
erklärt er. Da er zur Benefizgala im Rugbyclub Seabrook muss und ohnehin schon
spät dran ist, verabschiedet er sich von den beiden Aufsichtspersonen und
marschiert an der Schlange entlang in Richtung Parkplatz; dann, ein paar Meter
hinter dem Ende der Schlange, bleibt er stehen. Er kratzt sich am Kopf und
macht zögernd kehrt, als sei er sich nicht ganz sicher, wonach er sucht, bis er
bei Dennis und Niall ankommt.
Schweigen
senkt sich über die versammelten Maskierten. Der Automator streicht seine rote
Krawatte glatt, zupft seinen anthrazitfarbenen Blazer zurecht und mustert
Dennis aus zusammengekniffenen Augen. Dennis, genauso angezogen wie er, summt
nervös vor sich hin und hält den Blick auf den reptilienartigen Hals seines
Vordermanns Max Brady gerichtet. Hier und da, an verschiedenen Stellen der
Warteschlange, wird unterdrückt gekichert. Für jeden, der zuschaut, also für
alle, ist der Effekt der gleiche, wie wenn der Automator auf dem Jahrmarkt in
einen Zerrspiegel schauen würde. Sein Blick irrt zwischen Niall und Dennis hin
und her. Er setzt zu einer Äußerung an, besinnt sich dann aber; nach einer
vollen Minute unverhohlenen Anstarrens, in der Dennis den Tränen nahe kommt,
gibt er ein Grunzen von sich, macht auf dem Absatz kehrt und setzt seinen Weg
fort.
Alle
hören, wie seine Schritte zum Parkplatz verhallen, die Autotür aufgerissen und
zugeschlagen wird und der Wagen anspringt; und dann, als er mit aufheulendem
Motor in die Nacht entschwindet, erhebt sich ein mächtiger Beifallssturm.
»Ihr
seid alle relegiert!«, ruft der kommissarische Direktor Dennis Hoey. »Halloween
wird verboten! Haltung! Hefte schließen!« Niall schüttelt den Kopf und dankt
insgeheim Gott, dem er versprochen hat, sich nie wieder von Dennis zu
irgendetwas überreden zu lassen.
Die
Türen gehen auf, und die Wartenden werden rasch eingelassen. Doch bevor die
Party beginnen kann, muss noch eine Hürde genommen werden - im Vorraum der
Turnhalle sitzt Pater Green allein an einem Tisch und kassiert den Eintritt.
Das Licht hier ist steril und unbarmherzig hell, sodass alle, mögen ihre Kostüme
noch so glamourös oder extravagant sein, wieder zu Kindern werden; sie
schlurfen an ihm vorbei und lassen ihre zerknüllten Fünfer in den Eimer fallen;
der Pater dankt ihnen in unpersönlichem, übertrieben höflichem Tonfall und
hält dabei die Augen standhaft abgewandt von den fast durchweg frevelhaften
Kostümen, ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen nackten Haut - und
trotzdem hinterlässt die Transaktion bei ihnen ein seltsam eisiges Gefühl der
Schande, und sie entfernen sich, so schnell sie können.
»Ach,
Mr. Juster ...«
Widerstrebend
dreht sich Skippy an der Tür wieder um. Was ist los? Hat er nicht gesehen, wie
er das Geld hineingetan hat? Die Wimpern des Paters, lang und überraschend
feminin, heben sich und enthüllen den kohlschwarz starrenden Blick.
»Ich
glaube, Sie verlieren einen Ihrer Flügel ...« Er streckt einen knochigen Finger
aus.
Skippy
schaut nach unten und sieht, dass sich die Federn an einem seiner
Drachenhautstiefel gelockert haben. Er bückt sich und behebt den Schaden rasch,
murmelt ein Dankeschön und
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