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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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wollte.
    Ein
Geräusch am Haupteingang reißt ihn aus seinen Gedanken. Es setzt ein, als er
gerade daran vorbeigeht; eine Folge lauter, unzusammenhängender Schläge, die zu
gewaltsam und rebellisch sind, als dass man von Klopfen sprechen könnte - es ist eher
ein Hämmern, als wollte jemand die Tür einschlagen. Howard blickt sich um.
Außer ihm hört es anscheinend niemand: Der Eingang ist auf der anderen Seite
der Garderobe, und die Musik übertönt auch laute Geräusche von draußen. Aber er
hört es, als es wieder anfängt: ein immer lauter werdendes Trommelfeuer von
Schlägen, als versuchte ein zornbebendes nicht menschliches Wesen, sich
gewaltsam Einlass in die Turnhalle zu verschaffen.
    Howard
hat die Eingangstüren, den Anweisungen des Automators gemäß, Punkt halb neun
abgeschlossen. Eine weitere Tür am anderen Ende der Halle führt zu den
Toiletten, zu den Spinden im Untergeschoss und in den Anbau; aber alle
Haupteingänge sind abgeschlossen, und in die Schule hinein oder aus ihr heraus
kommt man nur durch diese Doppeltür, die sich von außen nicht öffnen lässt - es
sei denn, man schlägt sie ein.
    Während
er noch dasteht und überlegt, hört das Hämmern auf, doch nach einigen Sekunden
prickelnder Stille kommt ein einziger, mächtiger Schlag. Eine kurze Pause, dann
noch einer. Diesmal hören es auch die Jungen und Mädchen, die sich in der Nähe
befinden, und schauen Howard erschrocken an. Ihm dreht sich alles. Wer ist da
draußen? Alle möglichen schaurigen Gedanken schießen ihm durch den Kopf:
marodierende Banden, Schulhasser, die gekommen sind, um sie mit Messern oder
Feuerwaffen zu terrorisieren, ein Halloween-Massaker ... Das Donnern wird
lauter: Die Türen beben, der Riegel klappert. Obwohl die meisten noch immer
nicht wissen, woher der Krach kommt, breitet sich die Unruhe langsam über die
ganze Tanzfläche aus; Körper erstarren, Unterhaltungen verstummen. Sollte er
den Automator anrufen? Oder die Polizei? Dafür ist keine Zeit. Er schluckt, betritt
die dämmrige Garderobe und geht nahe zur Tür hin. »Wer ist da?«, blafft er.
Halb und halb erwartet er, dass eine Axt, ein Tentakel oder eine metallene
Klaue krachend durch das Holz bricht. Aber nichts geschieht. Doch dann, als die
Spannung gerade nachzulassen beginnt, wölbt sich das Holz unter einem erneuten
Schlag. Howard flucht, springt zurück, schiebt den Riegel hoch und stößt die
Türflügel auf.
    Draußen
herrscht eine dichte, stürmische Dunkelheit, als hätten die Gewitterwolken
allen Raum, vom Erdboden aufwärts, an sich gerissen. Darin eingehüllt, bereit
zu einem erneuten Angriff, steht eine einsame Gestalt. Howard kann nicht
erkennen, wer es ist; er tastet hinter sich, findet den Lichtschalter und
knipst ihn an.
    »Carl?«
Er schaut mit zusammengekniffenen Augen in das geschwärzte Gesicht. Der Junge
trägt seine normalen Alltagssachen -
    Jeans,
Hemd, Schuhe -, hat sich aber das Gesicht mit Ruß beschmiert. Ein ziemlich
armseliges Kostüm; irgendwie wird dadurch alles noch beängstigender.
    »Kann
ich reinkommen?«, fragt der Junge. Seine Sachen sind nass - es muss geregnet
haben. Er späht über und unter Howards schützend über die Türöffnung
gestreckten Arm.
    »Die
Türen wurden vor einer halben Stunde geschlossen, Carl. Ich kann jetzt
niemanden mehr reinlassen.«
    Carl
scheint ihn nicht zu hören. Er reckt den Hals, duckt sich, streckt sich, bückt
sich, um hineinzusehen. Dann schaut er plötzlich wieder Howard an. »Bitte?«
    Dieses
Wort aus seinem Mund überrumpelt Howard. Einen Moment lang denkt er daran
nachzugeben. Immerhin ist Ferienbeginn, und der Automator ist ja nicht da.
Doch irgendetwas an dem Jungen nervt ihn. »Tut mir leid«, sagt er.
    »Was?«
Carl hebt beide Hände.
    Er
wird scheinbar von Sekunde zu Sekunde größer, als hätte er von dem Zaubertrank
aus Alice im Wunderland getrunken. Unwillkürlich weicht Howard einen Schritt
zurück. »Du kennst die Regeln«, sagt er.
    Eine
ganze Weile steht Carl in voller Größe vor ihm, und seine Augen starren weiß
aus der schwarzen Maske. Howard sieht ihn an, hält gespannt den Atem an und
macht sich darauf gefasst, einem Faustschlag auszuweichen. Doch der kommt
nicht; stattdessen dreht sich der ungeschlachte Junge um und steigt langsam
die Treppe hinab.
    Sofort
bekommt Howard ein schlechtes Gewissen. »Carl«, ruft er. »Nimm den hier.« Er
hält ihm den Regenschirm hin, den Pater Green unter dem Tisch liegen gelassen
hat. »Falls es wieder zu regnen anfängt«,

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