Murray,Paul
weibliche Stimme ihm ins Ohr.
Er
fährt zusammen. Miss Mclntyre lächelt ihn an. »Na, wie geht's?«
»Gut.«
Er reißt sich zusammen. »Langweilig.«
»Wer
hat da vorhin an die Tür gedonnert?«
»Carl
Cullen. Er wollte rein.«
»Aber
Sie haben ihn nicht gelassen?«
»Er
war entweder betrunken oder auf irgendeiner Droge«, erwidert Howard lakonisch.
»Außerdem hat er ja gewusst, bis wann Einlass sein würde.«
»Bin
ich froh, dass ich nicht mit ihm reden musste«, sagt sie in ganz ungewohnt
respektvollem Ton.
»Jaa,
na ja ...« Er zuckt mit den Schultern. »Was haben Sie denn da?«
»Ich
hab eine Razzia in der Mädchentoilette gemacht.« Sie hält zwei Plastiktüten
voll klirrender Flaschen hoch. »Sie hätten mal ihre kleinen Gesichter sehen
sollen.«
»Haben
Sie sie rausgeworfen?«
»Nein
... sie haben mir leid getan. Es war Pech. Ich war nur runtergegangen, weil ich
aufs Klo musste.« Sie stellt die Tüten auf den Tisch und wühlt darin herum.
»Schauen Sie sich dieses Zeug an. Ich komme mir vor wie eine
Prohibitionsagentin.« Sie hebt den Kopf wieder. »Also, woran haben Sie
gedacht?«
»Gedacht?«,
wiederholt Howard, als sei ihm das Wort nicht bekannt.
»Gerade
eben. Sie waren ganz woanders.«
»Ich
hab mich gefragt, warum der DJ all diese alten Songs spielt.«
»Sie
haben traurig ausgesehen«, sagt sie. Sie legt ihm einen Finger auf die Brust
und schaut darauf, wie ein Elektriker auf ein Gewirr von Kabeln. »Ich wette«,
sagte sie langsam, »Sie haben an die Tanzveranstaltungen gedacht, auf denen Sie
gewesen sind, als Sie jung waren, und sich gefragt, wo die Zeit geblieben und
was aus all den Träumen geworden ist, die Sie damals hatten, und ob dieses
Leben auch nur im Geringsten so ist, wie Sie es sich einmal vorgestellt haben.«
Howard
muss lachen. »Bingo.«
»Geht
mir genauso«, sagt sie betrübt. »Wahrscheinlich ist das unausweichlich.« Sie
schaut auf die Tanzfläche, auf der Doppelsilhouetten zu »Wild Horses« von den
Rolling Stones fast unmerklich hin und her schwanken. »Und wie haben Sie abgeschnitten,
bei Ihrem Hop?«
»Wie
meinen Sie das?«
»Howard,
stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind. Haben Sie eine abgekriegt? Haben
Sie Wange an Wange getanzt? Oder waren Sie einer der Loser, die vom Rand aus
zugesehen haben?«
Howard
überlegt, ob er lügen soll, dann sagt er doch die Wahrheit: »Loser.«
»Ich
auch«, sagt sie niedergeschlagen. Howard sieht sie ungläubig an. »Sie? Sie
behaupten, keiner hätte Sie küssen wollen?«
»Was
soll ich sagen? Ich war das klassische hässliche Entlein.« Sie schaut weg.
»Und, keine Lust, das Versäumte nachzuholen?«
Er
erschrickt. »Wie bitte?«
Sie
zuckt mit den Schultern, neigt den Kopf zu den Tanzenden hin. »Keine Ahnung.
Eins von den Nymphchen mit nach Hause nehmen. Die hätten bestimmt gern eine
Privatstunde von einem gut aussehenden Lehrer. Die sind doch allesamt hinreißend,
oder vielleicht nicht? Und dünn - mein Gott, die haben bestimmt
seit einer Woche nichts gegessen.«
»Die
sind ein bisschen zu jung für mich.«
»Dann
nehmen Sie doch zwei. Zwei mal vierzehn macht achtundzwanzig.«
»Meine
Freundin könnte was dagegen haben.«
»Wie
schade«, sagt sie zweideutig. Sie verstummt, hört auf die Musik und überlässt
es Howard, sich zu fragen, was das gerade war. »Ein toller Song«, bemerkt sie,
und dann, direkt an Howard gewandt: »Möchten Sie tanzen?«
Nur
ein Wunder bewahrt Howard davor, seinen Pappbecher mit Bowle fallen zu lassen.
»Hier? Jetzt? Mit Ihnen?«
Sie
zieht schelmisch eine Augenbraue hoch. In Howards Kopf wirbeln Tausende von
Hühnerfedern herum. »Das geht doch nicht«, stammelt er, fährt aber hastig fort:
»Nicht, dass ich es nicht möchte ... aber hier vor den Kids und
so?«
»Dann
lassen Sie uns ausbüxen!«, flüstert sie.
»Wohin?«,
fragt er.
»Irgendwohin,
wo uns keiner sieht. Nur für fünf Minuten.« Ihre Augen glitzern ihn an wie
Discokugeln.
»Aber
wenn ... hat Greg nicht gesagt ... ?« Er macht eine hilflose Geste zu den
kostümierten Teenagern hin.
»Fünf Minuten, Howard, was kann da schon groß passieren? Nur bis zum Ende dieses
Songs, er ist sowieso schon fast aus ... wir gehen nur auf den Flur hinaus ...
ach, überhaupt, wir können uns Cosmopolitans machen!« Er ist hin und her
gerissen, quält sich, sieht sie an wie ein Tier, das darum bittet, von seinen
Leiden erlöst zu werden, und sie nimmt seine Hand. »Das sind Sie sich schuldig,
Howard«, sagt sie. »Wenigstens
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