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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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mangelnde Erfahrung, die ihn beunruhigte. Aber
womöglich hatte er etwas gemerkt? Argwöhnte er, dass die Tugendwächter einen
Tugendwächter brauchten?
    So
wie der Abend sich bis jetzt entwickelt, hat Greg wenig Anlass zur Sorge.
Alles bewegt sich innerhalb der Grenzen der Wohlanständigkeit. Nach der
überschäumenden, schwindelerregenden ersten halben Stunde hat sich die Hysterie
der Schüler auf einem kontrollierbaren mittleren Niveau eingependelt. Die
beiden Aufsichtspersonen haben noch kaum ein Wort miteinander gewechselt. Als
sie sah, dass sie nur zu zweit sind, hat Miss Mclntyre gleich zu Anfang
gemeint, es sei doch das Vernünftigste, sich aufzuteilen, ob Howard nicht auch
dieser Ansicht sei. Natürlich, stimmte er entschieden zu, natürlich. Seither
kümmert sich jeder um eine Seite der Halle. Hin und wieder sieht er sie durch
das Gewühl der Halbstarken schweben; dann winkt sie ihm mit flatternden
Fingern, und er beeilt sich, ein kurzes, kompetentes Lächeln aufzusetzen, bevor
sie weitersegelt, das lumineszierende Flaggschiff einer Invasionsarmee der
Schönheit. Darüber hinaus nicht das leiseste Anzeichen eines Flirts.
    Während
er durch den Raum schlendert, fragt er sich, was er sich eigentlich von diesem
Abend erwartet hat. Bis jetzt hat er sich eingeredet, dass er sich nichts
erhofft; er hatte sich in einer Art bewusster Trance freiwillig für diese
Aufsicht gemeldet, blind sich selbst gegenüber, und all seine selbstkritischen
Fähigkeiten abgeschaltet. Sogar sein Gejammer heute Abend bei Halley darüber,
was für eine lästige Pflicht und Zumutung das sei, war auf einer gewissen
Ebene durchaus ehrlich. Erst jetzt, da es sonnenklar ist, dass nichts passieren
wird, kann er seine Hoffnungen nicht mehr verleugnen; bei genauer Betrachtung
erscheinen sie ihm als absurd, fantastisch und naiv, und trotzdem ist er
bitter enttäuscht. Wie konnte er sich von ein paar koketten Bemerkungen derart
aus der Bahn werfen lassen? Braucht es nur so wenig, damit er bereit ist,
Halley zu betrügen? Ist er diese Art Mann? Ist das wirklich das, was er will?
    David
Bowies »Young Americans« tönt aus der Anlage; wieder versetzt es Howard einen
Stich - diesmal ist es Heimweh nach dem Haus, das er vor weniger als zwei
Stunden verlassen hat. Nein, das ist es nicht, was er will. Er wird sein Leben
nicht wegen einer billigen Büroaffare wegwerfen. Das heute Abend ist ein
Weckruf und eine Galgenfrist. Wenn er heimkommt, kann er anfangen, alles in
Ordnung zu bringen, was er hat schleifen lassen; außerdem kann er Gott danken,
dass er nicht nahe genug an Aurelie herangekommen ist, um in noch größere
Schwierigkeiten zu geraten.
    Zunächst
kann er sich jetzt aber ohne Ablenkung seinen Aufsichtspflichten widmen,
obwohl es - abgesehen von einem dezenten Hüsteln, wenn knutschende Pärchen es
ein bisschen zu weit treiben - kaum mehr zu tun gibt, als sich von einem Ende
der Turnhalle zum anderen und wieder zurück zu schlängeln, als überzähliger
Anwesender, der lustlos an seiner Bowle nippt, die genauso schrecklich schmeckt
wie die auf seiner eigenen Unterstufenparty vor vierzehn Jahren. Vierzehn
Jahre!, denkt er. Sein halbes Leben! Während er weiter unsichtbar seines Wegs
geht, unterhält er sich damit, dass er den jungen Leuten Gesichter aus seiner
eigenen Vergangenheit gibt, so als ginge er wieder hindurch, als Geist aus der
Zukunft... Das ist Tom Roche als Gladiator, intakt, ungebrochen, der die
Mädchen, die ihn wie Hummeln umschwirren, ignoriert, um sich mit einem jungen
Automator, der mit Kipper Slattery und Dopey Dean Anstandsdame spielt, über
Rugby zu unterhalten. Da ist Farley, zwei Köpfe größer als alle anderen, der in
seinem Mr.-T.-Kostüm noch dürrer wirkt, als er ist, und Guido LaManche, mit
hochgekrempelten Ärmeln wie Crockett von Miami Vice, der Koks an Mädchen mit
leicht geöffneten Mündern verteilt wie ein Zauberer, der Kartentricks vorführt.
Und da ist Howard selbst, als Cowboy, also in dem unauffälligsten, harmlosesten
Kostüm, das er hatte finden können, obwohl er darin heute ein verräterisches,
vom Schicksal eingeschmuggeltes Wortspiel (Howard the Cowherd) erkennt. Doch
zu dem Zeitpunkt war das noch nicht sein Spitzname; er war vierzehn, noch
längst nicht ausgewachsen, und soviel er wusste ohne Schicksalslinien, die ihn
mit irgendjemandem verbanden; sie alle wussten nicht, wie ihr Leben sein würde,
sie dachten, die Zukunft sei ein leeres Blatt, auf das man schreiben konnte,
was man

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