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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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brachte, hatte der Kampf mit dem Tod bereits begonnen.
    Dr. Fonseca kämpfte an seiner Seite, setzte sein ganzes Können dem Tod entgegen, der nach Gaetano griff, sein Blut vergiftete. Wundfieber! Gaetano verfaulte bei lebendigem Leib. Beide Stümpfe waren geschwollen, rot gesprenkelt, voller Eiter. Früher gehörte es sich nicht für mich, Gaetanos Zimmer ohne Mutters Erlaubnis zu betreten. Das war nun vorbei. Ich hatte es erreicht, dass ich dem Arzt, der mehrmals täglich kam, helfend zur Seite stehen konnte. Gaetano schämte sich auch nicht mehr, wenn ich seine furchtbaren Wunden entblößte. Ich beseitigte das schmutzige Verbandszeug voller Eiter, Sekreten und Blut, reinigte die fauligen Wunden, erneuerte die Bandagen. Gelegentlich war ich ungeschickt; dann zuckte Gaetano leicht, wenn auch kaum merklich zusammen. Doch meine Hände lernten schnell, mit Sorgfalt und Ruhe zu arbeiten. Gaetano war geduldig, so unglaublich sanft und geduldig. Er erduldete die entsetzlichen Schmerzen mit zusammengebissenen Zähnen, ohne einen Seufzer. Der Arzt gab ihm Morphium, wenn es zu arg wurde.
    Wie war es gewesen, als ich von Saburos Tod erfuhr? Der Ort des unsäglichen Leides bleibt die eigene Haut. Der Schmerz flammte so unerträglich in meinen Augen, dass ich nicht einmal mehr weinen konnte. Eine Zeit lang dachte ich daran, Paolas Dienste in Anspruch zu nehmen, die Frau aufzusuchen, die mir helfen konnte. Doch nein, ich brachte es nicht übers Herz. Das Kind, das in mir wuchs, war das Einzige, was mir von Saburo blieb. Das Kind war unsere lebendige Liebe; starb dieses Kind, würde Saburo ein zweites Mal sterben. Und so streichelte ich nachts im Bett meinen Bauch und sprach zu dem Kind, erzählte ihm von seinem Vater, und tagsüber wichen meine Augen Paolas Augen aus. Und Paola verstand, und es wurde kein Wort mehr darüber geredet, obwohl ihr jugendliches Gesicht sich vor Sorgen verhärtet hatte. Wir wussten beide um das Skandalöse meiner Lage. Der Tag war nicht mehr fern, an dem es auch meine Eltern erfahren würden. Bisher hatte meine Mutter nur Augen für Gaetano gehabt, aber bestimmte Dinge würden ihr bald nicht mehr entgehen. Doch selbst wenn die Familie, die Kirche und die ganze Welt mich verurteilten, würde ich mein Baby zur Welt bringen, es schützen und bei mir behalten. Denn ich hatte einen Verbündeten: Gaetano.
    In den ersten Tagen hatte ich nicht gewagt, ihm Fragen zu stellen. Doch aus irgendeinem Grund sprach er von selbst darüber. Dr. Fonseca hatte mir bereits gesagt, dass manche Verletzte, bevor ihre Wunden erkalten, reden und reden und dann verlöschen wie eine Kerze. So war es auch bei Gaetano. Seine Stimme war leise, kraftlos, aber gut zu verstehen. Und jeder Satz war schlüssig. Am 4. Mai um 10.20 Uhr war die Transylvania in den italienischen Gewässern von einem Torpedo getroffen worden. Das Geschoss schlug von links ein. Eine riesige Rauchsäule barst aus der Schiffsmitte auf. Die Transylvania neigte sich nach links und leckte Wasser. Die Maschinen wurden sofort eingestellt, doch schon brach Feuer aus, Rauchschwaden stiegen empor. An Bord herrschte Panik, man versuchte die Flammen zu löschen, es gab bereits viele Verletzte. Die Oberkommandierenden der Royal Navy sahen sich vor einem furchtbaren Dilemma. Die Transylvania sank – und mit ihr Tausende von Soldaten, Ärzten und Krankenschwestern. In seinem gepanzerten Kommandoturm auf der Horseflykiel brach Onkel Gordon fast das Herz. Aber die U-Boote waren überall, die Navy konnte es nicht riskieren, die Truppenschiffe in einer so aussichtslosen Unternehmung zu verbrauchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr Verluste eintraten, war größer als die, dass man die Schiffbrüchigen würde retten können. Onkel Gordon tat seine Pflicht. Befehl wurde gegeben, sich zu entfernen. Die Schiffe dampften weiter mit voller Geschwindigkeit. Doch die japanischen Eskortschiffe blieben. Die Sakaki wich von ihrem Kurs ab, näherte sich der tödlich verwundeten Transylvania ; schon bargen die ersten Rettungsboote die Schiffbrüchigen. Ungeachtet der Flammen, der glühend heißen Rauchschwaden, befestigten die Japaner ihr Schiff an der sinkenden Transylvania . Eine große Anzahl britischer Seeleute, rußgeschwärzt, abgerissen, mit Kleidern, die ihnen in Fetzen hingen, sprangen bereits vom Deck der Trans ylvania in die Rettungsboote, doch viele brachen sich dabei die Beine oder das Rückgrat. Mit Hilfe von ausgeworfenen Strickleitern kletterten die Seeleute auf das

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