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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Mutter, das beste.«
    »Ja, das mag schon sein.«
    »Hast du Fieber?«
    »Es fällt, seitdem Dr. Fonseca mir Chinin gibt. Er hofft, dass ich bald wieder zu Kräften komme. Aber vielleicht bringe ich nicht die erforderliche Geduld dazu auf ...«
    Die Worte ließen mich erschauern. Ich schluckte und sagte: »Deine Beine, tun sie dir noch weh?«
    »Kleine Schwester«, erwiderte er geduldig. »Ich habe keine Beine mehr. Es sind nur zerstörte Nerven, die Schmerzen in mein Gehirn blitzen.«
    Ein leiser Laut des Grauens entfuhr mir. Er drückte meine Hand.
    »Reden wir nicht darüber, es hat keinen Sinn. Sag, wann hast du eigentlich die Muschelseide zerschnitten?«
    Ich barg mein Gesicht an seinem Arm. Seine Haut war noch warm, jugendlich, glatt.
    »Am letzten Tag, bevor Saburo sich einschiffte. Wir trafen uns in den Upper Barakka Gardens. Du warst noch in Comino. « Er streichelte sanft mein Haar.
    »Hast du ihn sehr geliebt?«
    Ich sprach ganz leise, das Gesicht an seinen Arm gedrückt. »Wir ... wir wollten heiraten.«
    »Ja«, antwortete er ruhig. »Saburo hat es mir gesagt. Ich hätte mir einen besseren Mann für dich nicht vorstellen können. Und ich hätte einen Bruder dabei gewonnen, einen Bruder aus einem fernen Land, meinem Herzen so nahe. Wir sprachen auch mit Takeo. Die wenigen Vernunftargumente, die er als älterer Vertreter der Familie zu bedenken gab, fanden bei Saburo kein Gehör. Takeo brummte ein wenig, gab aber seine Zustimmung.«
    Ich umfasste seine Schultern.
    »Halt mich fest, halt mich fest. Es ist alles so ungerecht ...« »Ja«, sagte er bitter, »wir sind noch so jung.«
    »Jung?«, flüsterte ich. »Das sind wir nicht mehr ...«
    Er lag, mit seltsam zurückgeworfenem Kopf, starrte zur Decke mit glänzenden, matten Augen. Dann löste sich ein tiefer Seufzer aus seiner Brust.
    »Nicht mehr jung? Ich dachte mir so etwas, aber du sprichst es aus. Wir wussten ja kaum, was mit uns geschah. Wir haben so fröhlich gelebt, so sorglos. Unsere Zeit ist nicht mehr. Welche Zeit ist jetzt? Die Zeit der Krüppel, die Zeit der Toten?«
    Seine Haut fühlte sich plötzlich klamm an.
    »Ich ... ich möchte ein wenig schlafen ...«
    »Schlaf nicht, Gaetano! Schlaf noch nicht, bitte!« Ich schluchzte leise. »Ich muss dir noch etwas sagen ...«
    »Was denn, kleine Schwester?«
    » Gaetano, ich ... ich erwarte ein Kind.«
    Er fuhr leicht zusammen, machte eine Bewegung, um sich aufzurichten. Ein Laut entfuhr ihm, ein kurzer, zischender Seufzer. Er hatte Schmerzen.
    »Gaetano, hörst du mich?«
    »Sieh mich an!«
    Ich hob mein Gesicht zu ihm empor. Mein unsicherer Blick begegnete dem seinen, der so ruhig, so gleichmütig war.
    »Es ist wahr!«, stammelte ich.
    Er nickte langsam, voller Zärtlichkeit.
    »Ja, kleine Schwester, ich sehe es wohl. Du trägst Saburos Kind unter dem Herzen.«
    »Gaetano, verzeih mir! Ich möchte, dass du begreifst ... «
    »Da gibt es nichts zu verzeihen. Saburo hat dich geliebt, ihr wolltet heiraten. Ich sehe dich mit Saburos Augen. Ich sehe dich, wie er dich gesehen hat. Was du jetzt brauchst, ist jemand, der dich versteht, der sich deiner annimmt, sanft, mit Liebe, und dir die Freude zurückgibt, die dir genommen wurde. Ich aber bin am Verfaulen, der Tod wird bald Einzug halten in diesem Haus ... «
    Ich schrie leicht auf.
    »Du wirst gesund werden!«
    Er legte mir rasch den Finger auf den Mund.
    »Sag nichts, Cecilia. Ich weiß es besser. Ich kann dich nicht glücklich machen, kleine Schwester. Dein Kind aber wird es können. Du und ich, wir müssen jetzt scharf nachdenken. Richte mir das Kissen auf. Ja, so ist es gut. Kannst du mich noch etwas hochziehen?«
    Ich tat es, unter Aufbietung aller Kraft, und hörte dabei, wie er mit den Zähnen knirschte.
    »Du hast Schmerzen ...«
    »Das macht nichts. Mir bleibt kaum noch Zeit. Wir müssen schnell handeln. Bring mir mein Schreibzeug! Ich muss es Takeo wissen lassen.«
    »Wird er böse auf mich sein?«
    »Böse? Wie kommst du darauf? Nach Saburos Tod hat er mir Angst gemacht. Er sagte zu mir, er habe, anstelle des Herzens, einen Stein in der Brust, einen Stein, in dem die Toten schlafen. Dieses Kind gibt ihm seine Tatkraft, sein Leben zurück. Er wird dich und das Kleine beschützen ... «
    Er schrieb mit großer Mühe ein paar Zeilen, versiegelte den Brief. Ich ging zum Concierge, gab ihm den Auftrag, sich zur Matsu rudern zu lassen und das Schreiben dem Chirurgen Takeo Araki persönlich zu überreichen. Für Gaetano jedoch war die Aufregung

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