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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Postämter? Warum ließ Gaetano nichts von sich hören? Ich wartete auf ihn, ich wartete auf Saburo, ich begriff immer mehr, dass es zwischen ihnen etwas Gemeinsames gab, dass das Schweigen des einen mit dem Schweigen des anderen zusammenhing. Vater las täglich die Zeitungen. Ja, es hatten schwere Gefechte stattgefunden, ja, die japanischen Schiffe waren in Savona vor Anker gegangen. Die Bevölkerung, hieß es, habe ihnen einen triumphalen Empfang bereitet. Ja, es gab auch zahlreiche Schwerverwundete, manche bereits halbtot. Sie befanden sich in italienischen Lazaretten, wo sie von Ärzten nach allen Regeln der Kunst operiert wurden. War Gaetano unter ihnen? Plötzlich überstürzten sich die Meldungen: Vater hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Nachrichten zu erhalten. Gaetano war verletzt; Einzelheiten waren nicht bekannt, aber man hatte ihn an Bord des Lazarettschiffes Matsu gebracht. Die japanischen Schiffe mit den Geretteten, die reisefähig waren, befanden sich bereits auf dem Rückweg nach Malta. Die Japaner hatten die beschädigten britischen Schiffe ins Schlepptau genommen. Die Nachricht war im Grunde genommen beruhigend. Gaetano schien nicht allzu schwer verwundet, sonst befände er sich noch im italienischen Lazarett. »Wir werden ihn gut pflegen«, sagte Mutter, mit einem kleinen, tapferen Lächeln, »und so Gott will, muss er fortan nicht mehr kämpfen. Schließlich wird ja der Krieg bald ein Ende nehmen!« Ach, warum kamen mir unentwegt die Tränen? Mit den Eltern konnte ich über viele Dinge nicht sprechen, weil ich ihnen Dinge verheimlichen musste, es gab eine Kluft zwischen uns, eine Kluft, die sie vielleicht spürten. Ich brauchte so viel Kraft, um zu schweigen, dass ich immerfort weinte. Meine Erinnerungen lösten sich auf. Wann war es, wann und wo, als ich, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal sein würde, den Geliebten gesehen hatte? Worüber hatten wir gesprochen? Welche Worte hatten wir zum Abschied gewechselt? Alles war ausgelöscht. Ich entsann mich nur noch, dass ich Saburo die hauchdünne Muschelseide überreicht hatte, als sei sie aus Stahl, ein kugelsicherer Panzer.
    Dann erneut eine telegraphische Meldung: Es sei zu einem Gefecht zwischen U-Booten und japanischen Schiffen gekommen. Einer ihrer Zerstörer war getroffen worden. Auch das Lazarettschiff, auf dem sich Gaetano befand, war in den Kampf verwickelt worden. Doch die Japaner hatten den U-Booten den Garaus machen können. Die Schiffe zogen weiter, Malta entgegen.
    »Wann werden sie in Valletta eintreffen?«, wollte Mutter wissen.
    »Ich schätze, in ein oder zwei Tagen«, meinte Vater. »Sie fahren mit zwölf Knoten!«
    »Wie? Nur zwölf Knoten? Solche Schiffe können durchaus 25 oder 26 Knoten fahren!« Mutter zeigte allmählich nervöse Ungeduld. »Können sie nicht mehr Dampf machen?«
    »Sie müssen auf die havarierten Schiffe Rücksicht nehmen«, sagte Vater. »Außerdem hatten sie schwere Verluste.«
    Da fragte ich mit einer Stimme, die ich nur mühsam beherrschte, welches japanische Schiff denn getroffen worden sei. Vater sagte, der Name sei ihm nicht gemeldet worden. Ich knetete meine Hände.
    »Es ist wegen dem jungen Mann, der hier war. Wir sind zusammen ausgeritten ...«
    »Ja«, erwiderte Vater. »Ein netter junger Mann, wohlerzogen und gebildet. Gaetano schätzte ihn sehr. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Nun, Gaetano wird es uns sagen.«
    Die Worte machten, dass mein Herz nach allen Seiten ausschlug. Verzweiflung packte mich, Angst. Ich saß wie benommen, bevor ich mühsam auf die Beine kam. Ich küsste meine Eltern auf die Stirn, sagte, dass ich müde sei und früh schlafen wollte. War Paola bei diesem Gespräch zugegen? Ich weiß es nicht mehr. Aber sie brachte dieses und jenes, und es kann schon sein, dass sie den Wortwechsel mit angehört und Schlüsse daraus gezogen hatte. Jedenfalls wagte sie an diesem Abend, die Frage zu stellen, die ihr seit über zwei Monaten den Mund verschloss.
    »Signorina«, fragte sie, ruhig und ernst, »ist etwas vorgekommen, dass Sie so sind?«
    Ich fuhr leicht zusammen. Ich sah im Lampenlicht ihre derben Züge, die groben Lippen, die ihre ländliche Herkunft verrieten. Aber ich sah auch ihre haselnussbraunen, wissenden Augen. Schweigen herrschte im Haus, nur unterbrochen von den viertelstündlichen Uhrenschlägen der Kirchenglocken. Ich beachtete diese Glocken schon lange nicht mehr – jetzt, ganz plötzlich, nahm mein Bewusstsein sie wahr. Mir fiel auch auf, dass Paolas

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