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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Falschmeldungen geben. Im Zweifel kann ich ja Francesca fragen. Und manchmal, weißt du, ist es ganz einfach eine Sache des Glücks.«
    In den folgenden Tagen arbeitete Kazuo still und konzentriert für sich. Mein Vater hatte ihm sein Arbeitszimmer überlassen und zusätzlich noch seinen eigenen Computer, weil die Software auf Kazuos Laptop für die japanische Sprache gestaltet war. Auf diese Weise konnte Kazuo gleichzeitig auf beiden Rechnern arbeiten. Es machte ihm nichts aus, sich mehrere Stunden am Tag mit der Suche zu beschäftigen. Kazuo war ein Mensch, der komplizierte Aufgaben liebte. Er hatte Francescas Angaben stets im Blick, identifizierte sofort alle Falschmeldungen und löschte sie. Kazuo blieb dabei zuverlässig. Mit allen eingegebenen Informationen, die rund um die Uhr aktiv waren, würde er schon etwas herausfinden.
    Inzwischen befasste ich mich mit der Muschelseide. Stellvertretend für Nona, die dazu niemals fähig gewesen wäre, entwickelte ich ein Projekt, mailte Annabel auch die Unterwasseraufnahmen. Sie meldete sich telefonisch. Sie war von den Aufnahmen beeindruckt. Während ich ihr erzählte, wie ich ein fast unberührtes Gebiet gefunden hatte, wo die Steckmuschel in Hülle und Fülle wuchs, wurde es mir abwechselnd heiß und kalt. Endlich hatte ich das Gefühl, näher ans Ziel zu kommen.
    Ich durfte nicht allzu viel Begeisterung zulassen, aber immerhin schien Annabel meine Hartnäckigkeit gutzuheißen. Und dass Nona auch bereit war, Schülerinnen anzulernen, machte die Sache für Azur interessant.
    »Sie hat mir einen Unterrichtsplan von drei Jahren vorgelegt«, erklärte ich. »Im ersten Jahr würde sie ihren Schülerinnen die Vorarbeiten zeigen, vom Ernten der Muschel bis zum Einweichen der Büschel, dem Winden der Knäuel und dem Spinnen des Seidengarns. Im zweiten Jahr würden das Weben und die Färbung des Byssus gelernt, im dritten Jahr die Kompositionen, Zeichnungen und Herstellung der Stoffe. Die Schülerinnen würden auch lernen, ihre eigenen Muster zu entwerfen. Dabei ließen sich auch modische Kompositionen als Vorlage benutzen.«
    »Ein Luxus also, der den Artenschutz fördert, der jeder Kundin das Gefühl gibt, dass sie an der Erhaltung der Meeresfauna beteiligt ist?«
    »Es könnte ein Trend werden«, sagte ich.
    »Trends sind denkbar unkompliziert«, erwiderte Annabel, »solange der Zeitgeist mitspielt. Vor zehn Jahren hättest du keine Chance gehabt.«
    Ich bewegte den Hörer in meiner Hand hin und her. »Das ist mir schon klar.«
    »Darüber hinaus«, sagte Annabel, »kaufen die Kundinnen von Azur nicht nur deshalb ihre Kosmetik bei uns, weil sie den Wirkstoffen vertrauen. Sondern weil sie auch wissen, dass wir umfangreiche Projekte von Frauen fördern.«
    »Ich werde dir ein seriöses Projekt vorlegen.«
    »Mach dich auf überspitzte Kritiken gefasst. Inzwischen werde ich die Geschäftsleitung in New York wissen lassen, dass wir fern von jedem Déjà-vu einer revolutionären Neuigkeit auf der Spur sind. Das wird ihr Interesse anstacheln. Die Amerikaner wollen immer die Nase ganz vorn haben.«
    »Ich weiß, Annabel. Aber die Pinna nobilis wächst nur im Mittelmeer. Das wird ihnen vielleicht nicht gefallen.«
    »Kann sein«, entgegnete Annabel. »Wir müssen es darauf ankommen lassen. Aber wie steht es mit deinen Behörden? Würden die ihre Zustimmung geben?«
    »Für viel Geld, nehme ich an. Nationalstolz.«
    Sie seufzte hörbar.
    »Komm mir jetzt nicht mit dem Johanniterorden! Lass auch den Papst und das englische Königshaus aus dem Spiel. Was nicht heißen soll, dass wir nicht später in unserer Werbung darauf eingehen können. Also, kläre das vorerst mal ab, und melde dich wieder bei mir.«
    »Du machst mir Mut.«
    »Mein Interesse ist marktpolitisch. Mach’s gut, Beata! «
    »Mach’s gut«, hauchte ich mit einem Lächeln in den Hörer.
    Im Gegensatz zu Francesca hatte ich Geduld nie als meine Sache erlebt. Aber es ging nicht anders, ich musste mich gedulden. Und mich auch daran gewöhnen, dass Kazuo und ich vorläufig in getrennten Zimmern schliefen. Nachts konnte ich mich nicht zu ihm schleichen, weil Vater eine schwache Prostata hatte, sich mehrmals in der Nacht zum Klo tastete und gewiss hören würde, wenn die Matratze knarrte.
    So vergingen vier Tage. Ich arbeitete mein Projekt aus, Kazuo saß vor dem Laptop, Ricardo beschäftigte sich still auf seine Weise, und Francesca malte. Wir sahen sie kaum. Sie machte einen abwesenden Eindruck, brütete vor sich hin, und

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