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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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die gut gemeinten Versuche, ein unverfängliches Gespräch aufkommen zu lassen, verliefen im Sande. Doch es war ein anderes Schweigen als zuvor. Ich kannte sie inzwischen besser und fühlte, dass eine gespannte Unruhe sie erfasst hatte. Ich sagte zu Kazuo:
    »Nimm dir ihre schroffe Art nicht zu Herzen. Das alles bewegt sie so sehr.«
    »Ich weiß«, nickte er. »In Wirklichkeit ist sie kein kalter Mensch. Sie ist eine sehr leidenschaftliche Frau, die Kälte vortäuscht. Das ist eigentlich sehr japanisch.«
    »Mir ist es bei dir nicht aufgefallen.«
    »Es macht einen großen Unterschied, ob wir vor oder nach dem Krieg geboren wurden. Ob wir heulen durften oder nicht.«
    Wir saßen auf der dunklen Terrasse, sprachen leise miteinander. Alle Häuser rundherum waren eng verschachtelt, die Fenster, die Mauern hatten Augen und Ohren. Die Abendluft war warm. Aus dem Garten wehten die Düfte von frischen Feigen und Jasmin. Zamita, die Katze mit den wundervollen blauen Augen, die in unserem Haus ihr eigenes Leben führte, hatte plötzlich unsere Gesellschaft gesucht. Nun saß sie Kazuo zu Füßen, den muskulösen Rücken dicht an sein verletztes Bein gepresst.
    »Ich denke, sie ist in dich verliebt«, sagte ich.
    »Sie ist ein Weibchen«, sagte er. »Weibliche Katzen mögen Männer sehr.«
    »Das ist wahr. Zamita hat, wenn überhaupt irgendjemanden, stets meinen Vater bevorzugt.«
    »Siehst du!«
    »Gegen Katzenweibchen ist nichts auszurichten«, gab ich zu. »Und ich werde Zamita ihr Eigentum nicht streitig machen. Die Sache mit Francesca, was glaubst du? Kommt etwas dabei heraus?«
    »Ich weiß es nicht. Bisher hatte ich nur Falschmeldungen.« »Du verlierst viel Zeit dabei.«
    »Ich bin neugierig geworden. Francesca beeindruckt mich sehr.«
    »Sie ist nicht immer freundlich.«
    »Ob sie freundlich ist oder nicht, spielt in ihrem Alter überhaupt keine Rolle mehr. Da ist man es müde, alles schönreden zu wollen. Ich möchte gern etwas für sie tun. Nach all dem, was sie durchgemacht hat ...«
    Ein Nachtfalter streifte weich mein Gesicht. Ich seufzte. »Ja. Eigentlich lebt sie von Toten umgeben.«
    »Wie wir alle«, sagte er. »Aber was macht das schon aus, wenn sie unsere Schutzgeister sind?«
    Dann, am nächsten Tag, rief Kazuo mich plötzlich zu sich. In seiner Stimme schwang, trotz aller Beherrschung, Erregung mit.
    »Beata, ich glaube, dass ich etwas gefunden habe!«
    Ich setzte mich neben ihn, den Blick auf den Monitor gerichtet. Ich wunderte mich, dass mein Herz so heftig schlug. »Warte, ich muss übersetzen«, sagte Kazuo.
    Die in japanischer Schrift gehaltene E-Mail war ziemlich lang, kam aus Tokio und war von einer Frau.
    »Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Misa Kimura. Das Stichwort Pinna nobilis machte, dass Ihre E-Mail bei mir ankam. Meine Datei speichert alles, was mit Muscheln zusammenhängt. Ich bin Computergraphikerin, unterrichte in der EDV-Abteilung der Universität Shobi. Ich bin selbst Taucherin, sammle Muscheln. Marine Lebewesen sind sichtbar gewordene Bewegungsformen des Wassers, von denen ich mich inspirieren lasse. Doch zur Sache: Ich bin zwar in Tokio geboren, doch ursprünglich stammt meine Familie aus Takayama, wo auch meine Großmutter seit ein paar Jahren wieder lebt. Diese Großmutter bewahrt ein Tuch auf, das an tragische Begebenheiten in unserer Familiengeschichte erinnert. Meine Großmutter sagte, dass es aus der Seide der Pinna nobilis stammt, eine Muschel, die es in japanischen Gewässern nicht gibt. Das Tuch faszinierte mich schon als Kind. Später beobachtete ich dasselbe Schillern bei Fischen und Quallen. Doch die Geschichte, wie das Tuch in unsere Familie gelangte, ist sehr persönlich, und ich möchte hier nicht darauf eingehen. Einem Gespräch aber würde ich umso bereitwilliger zustimmen, da auch ich vor vielen ungelösten Fragen stehe.«
    Mir stockte der Atem.
    »Mein Gott, Kazuo, du hast es geschafft!«
    Er verzog das Gesicht zu einer kleinen Grimasse.
    »Jetzt kann ich dir ja sagen, dass ich kaum an eine Chance geglaubt hatte.«
    »Seitdem sich Cecilia um die Sache kümmert ...«
    Er lächelte; ich bemerkte erst jetzt, wie müde er war. »Ach ja, Cecilia.«
    »Wir müssen es Francesca sagen.«
    »Gleich. Die automatische Übersetzung ist eine Katastrophe, wie immer. Ich will sie zuerst ins Reine schreiben.«
    »Es wird ein gewaltiger Schock für sie sein. Nach all diesen Jahren.«
    »Vielleicht auch nicht«, meinte Kazuo gelassen.
    Er hatte die Arbeit bald fertig und

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