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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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meinst auf den ersten Blick, es sei Rohseide. Es fühlt sich nur ganz anders an. Wie die Babywindeln von anno dazumal. Die Farben sind außergewöhnlich, passen sich der Haut an und verändern sich im Licht. >Bisso marino‹, nannte Francesca das Material. Stell dir vor, der Schal ist gut hundert Jahre alt und stammt aus Italien. Francescas Mutter hatte ihn von ihrem Bruder bekommen.«
    »Bisso marino«, wiederholte Fabio nachdenklich. »Der Name kommt mir bekannt vor. Soll ich mal nachforschen?«
    »Ja, das wäre nett. Annabel zeigte Interesse und hat es mal wieder eilig. Du kennst sie ja.«
    »Annabel Kossack, die prachtvolle Nordseenixe.« Fabios weiches Lachen klang in den Hörer. »So ein Wesen hat es nie zuvor gegeben! Sieht sie immer noch so phänomenal aus?
    »Ihr Gehirn ist noch phänomenaler als ihr Busen«, sagte ich heiter, »aber ihr Männer achtet ja nur auf Äußerlichkeiten.«
    »Wir Italiener wissen weibliche Schönheit zu schätzen«, sagte Fabio. Ich stimmte in sein Lachen ein. Fabio hatte Annabel bei diesem Kongress in Neapel getroffen, aber Annabel war damals in Begleitung gewesen. Fabio hatte sie aus der Distanz und mit Kennerblick bewundert.
    » Sie erinnert mich an Anita Ekberg, du weißt schon, >La dolce Vita‹, diese wunderschöne Sequenz im Fontana di Trevi. «
    »Ja, aber leider bist du nicht Marcello Mastroianni «, brachte ich ihn liebenswürdig auf den Boden zurück.
    Die Erinnerungen zogen mir durch den Kopf, während Fabio versprach, sich bei mir zu melden, sobald er etwas herausgefunden hatte. Beim Abschied meinte er:
    »Vielleicht verdanken wir es deiner Nixe, dass wir uns wiedersehen. Schön wäre es ja ... «
    Beim Gedanken an Fabios Liebkosungen fuhr ein Schauer durch meinen Körper, ebenso weich und zärtlich warm, wie die Muschelseide es war. Ich vermisste seine Umarmung, seinen Blick, seine Stimme sehr. Doch ich beherrschte mich und erwiderte leichthin:
    »Ja, ich würde mich freuen. Danke, Fabio«, bevor ich den Hörer auflegte. Wir hatten längst gelernt, in Episoden zu leben, ein Kongress hier, eine Ferienreise dort. Fabio war bei mir und doch nicht bei mir. Und jeden Abend, wenn wir zusammen waren, telefonierte er mit Cosima.
    »Ich lese ihr immer vor, bevor sie einschläft. Kinder brauchen Rituale.«
    Warum musste ich auf sie, die kleine Behinderte, eifersüchtig sein? Warum war ich nicht geduldig genug, nicht liebend genug, um zu ertragen, dass ich Fabio nie ganz für mich haben konnte? Seit meiner Begegnung mit ihm wusste ich, dass es auf die Dauer unerträglich sein würde, morgens früh zu erwachen und sein Gesicht nicht neben mir auf dem Kopfkissen zu sehen. Wie alle hoffnungslos Liebenden war mein Schmerz sehr eigensüchtig, eine ständige Quelle der Unruhe, der Sehnsucht. Es machte mich verrückt, ich erlöste mich durch Handeln. Daher war ich immer so fieberhaft tätig, musste ständig reisen, im Meer tauchen und mich auf anderen Gebieten auszuleben versuchen. Dabei hatte ich mich nur selten in ernstliche Gefahr gebracht. Beata ist immer vernünftig, hatte meine Mutter von mir gesagt, als sie noch lebte. Aber was nützte mir die Vernunft? Ich wollte nicht mehr so dahintreiben, ich wollte jemanden, der mir treu war, der sich an meiner Seite der Leere kommender Jahre stellen würde. Nicht ich, nicht mit mir!, gab mir Fabio zu verstehen. Er hatte eine Weichheit in sich, die ihn unfähig machte, zu handeln, wenn etwas gegen sein Gewissen war. Meine Liebe zu ihm war verzerrt von Illusionen; ich wusste, er war in diesen Dingen unbarmherzig. Weder Monica noch ich zählten wirklich für ihn. Einzig Cosima, seine zärtlichste Liebe, hatte in seinem Leben Beständigkeit.

7. Kapitel
    F rancesca erzählte ich zunächst nichts, weder von meinen Nachforschungen noch von Fabio. Sie hatte ihr Leben bereits gelebt: ein Leben, das ein Gefüge für sich war, von langer Dauer; ihre Erinnerungen strebten bereits dem Ausklang einer Epoche zu, die ihr mit jedem Tag, jeder Stunde zwischen den Fingern zerrann. Vielleicht war ihre Rückkehr nach Valletta wirklich nur ein letztes Zwischenspiel vor dem Tod. Doch obwohl Francesca betonte, dass sie nichts mehr hatte außer dieser verrinnenden Zeit, handelte sie, als ob ihr die Zukunft gehörte. Sie trat in ein Zimmer, in ihren roten Kleidern, füllte die Luft mit den süßlichen Aroma ihrer Zigarette, und die Zeit fiel von ihr ab wie eine Schale. Weil sie malte, hatte sie ihr Wesen, das ungestüm und herb war, besser im Griff als ich das

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