Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Toten nicht vergessen wurden?«
    »Dazu kann ich sagen, dass ihr die Hinterbliebenen unendlich dankbar gewesen wären. Aber da hätte sie Detektivarbeit leisten müssen. Die eingravierten Namen sind, bis auf einige, sehr alltäglich. In Japan sind Suzuki und Sato so verbreitet wie Smith und Jones in Großbritannien. Auch der Heimatort der Verstorbenen ist nicht angegeben. Kann Francesca überhaupt Japanisch?«
    »Keine Ahnung! Sie sagt nur, was sie sagen will.«
    »Wie oft war sie in Japan, weißt du das?«
    Ich spielte ungeduldig mit Marinas Trauring, der an einer Kette um meinen Hals hing.
    »Kurz vor dem Krieg, soviel ich verstanden habe. Dann erst wieder 1947. Und später auch noch, offenbar. Ich für meinen Teil denke, dass sie Gaetanos Tochter ist. Das vermutet sogar mein Vater, so prüde, wie er sich gibt. Warum hätte Gaetano ihr sonst sein Vermögen hinterlassen? Inzest kommt in den besten Familien vor, oder?«
    »O ja. Und alle streiten es ab.«
    Ich seufzte aufgebracht.
    »Ein Fleck mehr auf der Familienehre. Armer Ricardo! Ich hoffe, dass Francesca mir eines Tages Cecilias Tagebuch zu lesen gibt. Ich frage mich allerdings, ob es nicht womöglich nur in ihrer Phantasie vorkommt. Spreche ich sie darauf an, wird sie kalt wie ein Fisch.«
    Er legte seine Hand auf meine.
    »Ich glaube, sie trägt noch immer einen großen Kummer in sich.«
    Zwei glitzernde, sorglose Delfine schwammen mit dem Schiff um die Wette. Die Überfahrt war kurz. Schon bald kam Gozo, »die Insel der Freude«, in Sicht, mit ihrem feinkörnigen, goldgelben Sand, ihren steilen Klippen, ihren Häusern, die wie weiße Girlanden die Tafelberge schmückten. Die Fähre legte mit einem leichten Stoß an, die großen Ketten rasselten. In einer Wolke von Abgasen fuhren Wagen und Lastwagen in den Hafen von Mgarr ein. Am Kai drängten sich bereits die Touristen, die sich in entgegengesetzter Richtung einschifften, eine Wagenkolonne wartete vor dem Laderaum. Ich sagte zu Kazuo:
    »Jetzt brauchst du nicht mehr die Augen zu schließen. Auf Ghawdex« – ich sprach es »Audesch« aus – »gibt es kaum Verkehr.«
    Er zog die Stirn kraus.
    »Welchen Namen hast du gerade genannt?«
    »Ghawdex, der alte arabische Inselname, ist für die Einheimischen der richtige. Und der Hauptort, der im neunzehnten Jahrhundert nach Königin Viktoria benannt wurde, heißt hier immer noch Rabat.«
    Ich saß entspannt am Steuer. Die Sonne blendete, ein heftiger Wind blies Federwölkchen über den Himmel. Die Terrassenfelder schimmerten in allen Schattierungen von Grün. Oleanderbüsche blühten, Feigenkakteen mit ihren roten Früchten säumten die Landstraße. Eine Kuppelkirche schillerte smaragden in jedem Dorf, die Kramläden waren winzig und unmodern, die Häuser alle in einer Reihe gebaut, und jedes wirkte in seiner Reinlichkeit wie ein gemütliches Schlösschen.
    »Hier gefällt es mir«, sagte Kazuo. »Reine Luft, Meer, stille Dörfer, das alles entspricht meinem Ruhebedürfnis. Eigentlich würde ich mich gern hierhin zurückziehen. So ab 75, denke ich, wäre die Insel genau richtig für mich.«
    »Viele Leute kommen nach Ghawdex«, sagte ich, »wenn ihnen die Welt zu viel wird. Man sagt, die hiesigen Freuden sind groß, weil sie so einfach sind.«
    »Das sagen allemal die Mönche. Gibt es hier übrigens ein Kloster, wo ich übernachten könnte?«
    »Du brauchst kein Kloster. Du schläfst bei mir im Bett.«
    Ich erklärte ihm, dass das reservierte Hotelzimmer mit seinem Kingsizebett sowohl als Einzel- wie auch als Doppelzimmer genutzt werden konnte.
    »Du denkst aber auch an alles«, meinte er.
    »Ich bin gut im Organisieren.«
    Die Straße fiel leicht ab, und wir sahen Rabat ganz nahe. Die kleine Stadt mit den goldgelben Häusern wurde überragt von der Masse der Burg – der Citadel –, die mit gewaltigen Mauern und Bastionen auf einem Felsen stand.
    »Die Burg war früher der einzige Ort«, sagte ich, »wo die Bewohner Schutz vor den Piraten finden konnten.«
    Die Kuppel der Kathedrale Maria Asuncion flimmerte am gleißenden Himmel. Ich fuhr die Republic Street empor mit ihren Läden und ihren Cafés unter schattigen Bäumen. Beim Busbahnhof bog ich ab. Nona hatte mir erklärt, dass sie zwischen dem Rundle Park und dem Craig General Hospital wohnte. Ich fand mühelos einen Parkplatz. Wir gingen ein paar Minuten zu Fuß. Auch hier waren die Reihenhäuser nach britischem Vorbild gebaut, mit Hof oder Garten zur rückwärtigen Seite, aber immer ohne Lücken zum

Weitere Kostenlose Bücher