Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
hatten wir uns so an das Dämmerlicht in der Halle gewöhnt, dass uns das Tageslicht grell vorkam, obwohl die Abenddämmerung draußen schon weit fortgeschritten war. »Sollten wir nicht ...«, fragte sie behutsam.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, antwortete der Tloxi. »Sie haben hier nichts zu befürchten, und damit meine ich das ganze Viertel. Die Sineser lassen uns hier in Ruhe. Es ist eine Art ungeschriebenes Abkommen. Solange wir nicht in Streik treten und unserer Arbeit nachkommen, verzichten sie darauf, unsere Quartiere zu kontrollieren. Seit einige ihrer Trupps von ihren Patrouillen nicht zurückgekommen sind, sehen sie davon ab, sich in unsere Selbstverwaltung einzumischen. Da sie auf uns angewiesen sind, lassen sie uns in Ruhe, solange wir funktionieren.«
Jennifer nickte und warf mir einen raschen Seitenblick zu. »Deshalb sind unsere Verfolger beigedreht. Sie trauen sich nicht in diese Stadtteile. Wir hatten das insgeheim gehofft.«
Der Tloxi deutete jetzt tatsächlich so etwas wie ein Lächeln an.
»Wir haben Ihre Flucht verfolgt«, sagte er, wobei er auf elegante Weise offen ließ, welchen Mediums sie sich dazu bedient hatten. »Sie vier sind mutige Kämpfer.«
Jetzt war es an uns, uns zu verbeugen. Wir hätten uns geschmeichelt fühlen können. Aber zum einen brachte der Tloxi seine Worte so routiniert vor, dass ihnen keine persönliche Aussagekraft innewohnte. Zum anderen war unsere Situation zu verfahren, als dass wir uns lange mit dem Austausch von Artigkeiten hätten aufhalten können.
Hinzu kam, dass wir einen Verwundeten hatten. Taylors Verletzungen waren schwerer, als es dem ersten Anschein nach ausgesehen hatte. Nicht nur der prothetische Unterarm, sondern auch der Oberarm, der noch aus Fleisch und Blut bestanden hatte, und die Schulter waren zerschmettert worden. Ich zweifelte zwar nicht, dass die Tloxi in der Lage waren, ihm einen Ersatz für das zerfetzte Glied zu verpassen, aber ich glaubte nicht, dass ihnen in ihrer Subkultur die Ressourcen dafür zur Verfügung standen.
»Wir können darüber später sprechen«, sagte ich. »Allerdings fürchte ich, dass es mit Ihrem Gentleman Agreement bald vorbei sein wird. Ich denke, dass wir zu wichtig für die Machthaber dieses Imperiums sind, als dass sie unser Hiersein auf sich beruhen lassen könnten.«
Der Tloxi, die eine Million der übrigen Tloxi und Jennifer musterten mich mit der gleichen Aufmerksamkeit, die jedes meiner Worte nach vielerlei Richtungen wog, analysierte und interpretierte. In Jennifers Miene las ich die Aufforderung, mich der größtmöglichen Zurückhaltung zu befleißigen. Unter anderem war denkbar, dass diese Halle abgehört wurde oder dass die Tloxi selbst eine raffinierte Armada zu Ausspähungszwecken darstellten. Indem wir uns ihnen auslieferten und ihnen Informationen lieferten, hetzten wir uns womöglich die Schergen auf den Hals, vor denen wir uns gerade verbergen wollten.
»Unser Stillhalten ist für sie von großem Wert«, sagte der Tloxi lapidar. »Wir sind das Fundament, auf dem sie ihre Herrschaft errichtet haben. Sie werden nicht ohne Not riskieren, dass es unter ihnen zerbröckelt.«
Er sah mich lächelnd an. Seine Pupillen fokussierten. Ich hatte die Vorstellung, er würde durch meine verschwitzte Gesichtshaut in mein Gehirn eindringen und meine Gedanken in Sekundenbruchteilen erfassen.
»Sie müssten, als Personen oder als Träger von Informationen, schon außerordentlich wichtig sein, um den Sinesern als Anlass zu gelten, ihre Koexistenz mit uns aufs Spiel zu stellen.«
Aus diesen Worten sprach die Arroganz einer schlafenden und schweigenden Macht.
Ich konnte nicht ausschließen, dass diese Wesen, die unseren Funkverkehr mitgehört und sogar die chiffrierten Trägerwellen entschlüsselt hatten, in der Lage waren, unsere Gedanken zu lesen. Und indem ich mich krampfhaft darauf konzentrierte, nicht an den Eschata-Chip zu denken, kam es mir vor, als stünde ich nackt da und eine Million Augen starrten auf meine Blöße.
Der grüne Blick des Tloxi brannte auf meiner Brust. Selbst Jennifer registrierte, dass etwas vorging. Sie sah mich fragend an, dann lief ein ohnmächtiges Verstehen über ihr Gesicht. Das alles vollzog sich in telepathischer Stille. Die ganze Tiefe unseres Ausgeliefertseins öffnete sich unter meinem Bewusstsein. Es gab keine Geheimnisse. Und falls diese Mächte oder jene, denen sie unterstanden, uns böse gewillt waren, konnten wir auf kein Erbarmen rechnen.
»Lassen wir das
Weitere Kostenlose Bücher