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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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jüngeren Freunde ereilt haben sollte, stellte er fest, dass er nichts hatte, um mit dieser Tatsache fertig zu werden. Er, der sich selbst ironisch den Chefideologen zu nennen pflegte und der von den Angehörigen der MARQUIS DE LAPLACE als Weiser angesehen wurde, stand ratlos vor dem Sachverhalt, dass Menschen starben. Auch dann, wenn man sie liebte.
    »Was hast du vor?«, fragte er Wiszewsky, um die düsteren Gedanken abzuschütteln.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Wiszewsky. »In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nicht so ratlos gefühlt. Wie lange sollen wir warten? Und worauf warten wir überhaupt? Kann sein, Eschata existiert nicht mehr. Vielleicht sind die Kolonien zugrunde gegangen. Sie wurden von Sinesern überrannt, sind einem Strahlensturm zum Opfer gefallen oder haben sich in Aufständen aufgerieben.«
    Der Commodore winkte ab. Laertes sah, dass seine Hand zitterte, als er das Glas zum Mund führte, und dass seine Augen einen wässrigen Glanz angenommen hatten. Er bot das Bild eines verzweifelten alten Mannes, der mit seinem Latein am Ende war. Plötzlich durchzuckte ein Verdacht Laertes’ Überlegungen. Wollte Wiszewsky ihn auffordern, an seiner Stelle das Kommando zu übernehmen?
    »Du hast doch einen Plan«, sagte er und sah Wiszewsky offen ins Gesicht. »Du rufst mich doch nicht, um dir den Schmerz von der Seele zu reden.«
    Wiszewsky tat so, als habe er nichts gehört. Er schob das Glas auf der Tischplatte aus schwarzem Obsidianquarz herum und betrachtete seine Hände, die von braunen Altersflecken dunkel waren.
    »Ich habe«, sagte er nach einer Weile, »immer noch hunderte von Technikern und Ingenieuren, Wissenschaftlern und Piloten an Bord dieses Schiffes. Sie mögen alle zusammen nicht so genial wie Reynolds sein, und nicht so ehrgeizig wie dieser Taylor. Aber in ihrer Masse müssen sie doch etwas zuwege bringen.«
    Er sah auf und blickte Laertes aus nächster Nähe düster an. In seinen wasserblauen Augen schwamm nicht mehr die Tränenseligkeit des Alters, sondern der ganze Starrsinn eines Kommandanten funkelte darin, der seit mehreren Jahrzehnten keinen Widerspruch mehr geduldet hatte. Die Unfähigkeit seiner beiden Stäbe, ihm endlich die ersehnte Neuerung auf dem Gebiet der Warptechnologie zu präsentieren, empfand er, je länger, je mehr, als eine Art passiven Widerstands, als Ungehorsam, der sich den Anschein physikalischer Unmöglichkeit gab.
    »Ich gebe ihnen eine Frist«, grollte er. »Drei Monate.«
    Laertes sah etwas auf sich zukommen, vor dem es kein Entrinnen gab.
    »Und dann?«, fragte er vorsichtig.
    Wiszewsky setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf. Er nestelte an seiner Uniformjacke, deren obere Knöpfe er öffnete.
    Wiszewsky brachte eine Schatulle zum Vorschein. Er legte sie behutsam vor sich auf den Tisch, ließ den Verschluss aufspringen und nahm ein winziges Kleinod heraus, das er auf der Fingerspitze balancierte.
    »Was ist das?«, fragte Laertes irritiert.
    Wiszewsky ließ ihm den Gegenstand in die Handfläche fallen. Es war ein Chip von der Größe eines Daumennagels, ein Wunderwerk der angewandten Quantenmechanik mit einem Gewicht von wenigen Gramm und einer Kapazität von vielen tausend Exobytes.
    Der Commodore erläuterte ihm, was es damit auf sich hatte. »Das«, endete er feierlich, »ist mein letzter Trumpf.«
    Laertes atmete tief durch. »Und welchen Stich willst du damit machen? Ich hoffe, du lässt dich nicht zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen.«
    Er wusste, dass das wenig feinfühlig war, aber die ungeheure Brisanz, die ihm sofort aufgegangen war, ließ falsche Rücksichtnahmen nicht zu. Er kannte den labilen Charakter des Commodores nur zu gut. Wie oft hatte Wiszewsky mit seiner Svetlana etwas im stillen ausgeheckt und es dann über die Köpfe beider Stäbe hinweg angeordnet.
    »Wo denkst du hin?«, blaffte Wiszewsky und zog beleidigt die Mundwinkel nach hinten.
    »Ich meine ja nur«, gab Laertes zurück.
    Eine Sekunde lang bohrten sich ihre Blicke ineinander. Der Commodore ließ keinen Zweifel daran, dass er entrüstet war. Er beeilte sich, den Chip wieder in die Schatulle zu packen und diese, nachdem er sie gewissenhaft verschlossen hatte, in seiner Jackettasche zu verstauen. Laertes winkte die Bedienung heran. Eigentlich hatte er gehen wollen und er wollte sie hinter vorgehaltener Hand fragen, was sie zum Verschwinden Commander Nortons sagte, aber zu seiner Überraschung gab Wiszewsky eine dritte Runde in Auftrag. Die Ordonnanz brachte erneut die

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