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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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gelebt hatten, stürzte plötzlich in sich zusammen. Sie war mir völlig fremd. Wie ein Verliebter, für den jede Regung seiner Angebeteten ein undurchschaubares Mysterium darstellte, starrte ich sie an. Unterschwellig stieg ein Verdacht in mir auf. Sie wollte sich als die moralisch Überlegene aufspielen. Mir vergeben, alles vergessen, um sich als die Höherstehende hinzustellen. Indem sie mir die alten Demütigungen nachsah, die ich ihr angetan hatte, demütigte sie mich. Ich schwieg.
    Sie las meine Gedanken mit wie technische Anzeigen, die über eine HoloBoard scrollten.
    »Sind wir so weit voneinander entfernt«, fragte sie behutsam, »dass wir nicht mehr miteinander reden können?«
    »Ich weiß nicht, was das bringen soll?«, erwiderte ich grob.
    Wieder dieses wissende Lächeln. So sehr ich auch zappelte und strampelte, mich innerlich wand, für sie war ich ein klares Wasser, das sie bis auf den Grund durchschaute. Ich konnte mich ihr nicht entziehen. Ich musste mich ihr öffnen, musste das preisgeben und vorbringen, was sie ohnehin wusste.
    »Du wirst es nicht verstehen«, sagte ich.
    Sie schaute mich unverwandt an. Ihr Lächeln war schlimmer als der brutale Griff eines Polizisten, der einem die Faust auf den Rücken dreht.
    »Es ist auch schon so lange her«, versuchte ich auszuweichen.
    »Gib dir Mühe«, schmunzelte sie.
    Ich stieß die Luft aus. Gerne wäre ich aufgestanden und davongelaufen, hätte meinen nachmittäglichen Rundgang um die Insel gemacht, das Meer betrachtet und geschwiegen. Aber ich ahnte, dass ich mich dieser Situation nicht entziehen konnte. Ich musste sie durchstehen, wie ein Gefecht mit den Sinesern.
    »Was willst du denn hören?«, rief ich aus. »Geilt es dich auf, wenn ich ...«
    Sie lachte hell auf.
    »Komm schon«, sagte sie warm. »Wenn du die Augen schließt, steht sie vor dir!«
    Ich musste den Kopf schütteln. Eine zeitlang betrachtete ich angelegentlich meine Fingerkuppen. Sie waren silbern von dem staubfeinen Kristallsand, der in den Linien und Riffelungen haftete.
    »Ich wünschte mir«, begann ich stockend, »schon immer eine Vertraute, einen weiblichen Freund, eine platonische Beziehung. Das war meine eigentliche Sehnsucht. Ich litt immer darunter, dass ich keine Schwester hatte. Eine erwachsene Tochter vielleicht, mit der man in einer Weise reden kann wie mit niemandem sonst. Eine andere Art von Offenheit, als man sie der eigenen Frau gegenüber hat, und eine andere Form von Erotik, vielleicht, als sie mit einem Freund denkbar wäre. Eine Seelenfreundschaft, die weder sexuell, noch keusch ist ...«
    Ich brach stammelnd ab und suchte verzweifelt ihren Blick, wich ihm aber sofort wieder aus. Meine Lider blinzelten flackernd. Jennifer hatte mir aufmerksam zugehört. Ich spürte, dass es ihr ernst war. Ich wusste, dass ich mich vor ihr nicht genieren musste. Und doch wäre ich am liebsten im Erdboden versunken, als ich ihr stockend von einer Beziehung vorschwärmte, die doch die unsere niemals an Tiefe hätte erreichen können.
    »Aber am Ende seid ihr doch miteinander ins Bett gegangen«, sagte sie.
    Es war ein sanfter, mitfühlender Spott, in dem auch Zärtlichkeit lag, womöglich sogar Mitleid, und darin war in diesem Augenblick keine Herablassung mehr. Ich begriff, dass es ihr gleichzeitig ernst und unwichtig war. Die abgestandene Affaire war ihr im Grunde gleichgültig. Es ging ihr um unser eigenes Verhältnis, hier und jetzt.
    »Ich wusste ja«, sagte ich mit komischem Jammern, »dass du es nicht verstehen würdest.«
    Plötzlich musste ich lachen, als mir bewusst wurde, was ich gerade geredet hatte.
    Jennifer musterte mich. Plötzlich rollte sie sich herum. Sie lag nackt im Sand und räkelte sich im steilen Licht.
    »Vertrauen«, äffte sie, »keusche Sinnlichkeit, platonisches Verhältnis!«
    Sie warf den Kopf in den Nacken und präsentierte sich in ihrer ganzen grellen Makellosigkeit.
    »Oder war es doch einfach nur, dass sie größere Brüste hatte, straffere Schenkel?«
    »Jennifer«, rief ich abwehrend, »das ist doch absurd!«
    Ich streckte die Hände vor, um ihren Anblick zu verdecken. Dabei hörte ich sie übermütig kichern. Sie tollte am Strand herum.
    »Nichts anderes wollte ich von dir hören«, jubelte sie.
    Plötzlich fiel ihr Schatten auf mich. Sie stand unmittelbar vor mir. Die aufgesetzte Heiterkeit war wieder von ihr gewichen. Einen unerträglich angespannten Moment lang krallten sich unsere Blicke ineinander. Dann hob sie ganz langsam die Hand. Der

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