Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
Vom Netzwerk:
sein Anblick dem, der in den letzten Stunden hinter uns verschwunden war. Die Finsternis belebte sich, sie schien zu schmelzen. Die Nacht taute und nahm einen weichen, samtigen Farbton an. Schließlich zeichneten sich Strukturen ab. Aus der Schwärze schienen sich Grate und Rippen abzuheben, die allmählich hervortraten und eine vage Sichtbarkeit erlangten. Es war wie der Flug über ein dunkles Gebirge, das in der Polarnacht lag. Man ahnte eher, dass da etwas war, als dass man etwas Konkretes hätte ausmachen können. Die Finsternis war eine ölige Flüssigkeit, die auseinanderlief, Pfützen bildete und dabei Inseln freigab. Feinste Schattierungen von Schwärze und tintiger Dunkelheit sonderten sich ab. Manche der porigen Verästelungen wurden mit der Gemächlichkeit eines nordischen Sonnenaufgangs heller. Es bildete sich ein Vorhang, ein Gespinst aus schütterem Licht, das langsam weiter an Glanz gewann. Wir sahen uns an. Jennifer prüfte die Instrumente. Wir erreichten den Point of no Return . Die Hälfte unseres Treibstoffs war verbraucht. Wenn wir umkehren wollten, mussten wir es jetzt tun, denn schon einige Minuten später würde es sinnlos werden. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, flogen wir weiter.
    Es war eine Ebene aus schwarzem Schnee, und jedes Kristall bestand aus tausend Galaxien, die zu symmetrischen Strukturen zusammengeklumpt waren. Nach und nach wurde ihre Leuchtkraft stärker. Es war eine Mauer, die den gesamten Kosmos vor uns abriegelte. Nach rechts und links, oben und unten verlor sie sich in der zitternden Ferne. Dort schien die Wand konkav gekrümmt. Sie wölbte sich über uns hinweg und um uns herum. Oder war das eine Täuschung? Die scheinbare Krümmung ließ an eine sphärische Gestalt denken. War das die äußerste Kugelschale, die den Kosmos umschloss. Die Fixsternsphäre?
    Jennifer nahm einige Parallaxenbestimmungen vor. Die Struktur, die vor uns lag, war eine weitere Galaxienzusammenballung. Sie war in Länge und Breite um ein Vielfaches größer als die Große Mauer. Ihre Tiefe war nicht abzusehen. Und auch zu den Seiten war kein Ende zu erkennen. Wir nannten sie das Große Manifest. Noch einen ganzen Tag lang flogen wir darauf zu, während sie immer weiter ins Unermessliche anwuchs. Ihre massive Lichtkraft blendete beinahe. Es war eine senkrechte Ebene aus Licht, eine hochgeklappte Sahara. Aber jedes Sandkorn dieser Lichtflut teilte sich in Haufen und Klumpen auf, und indem wir uns ihr weiter näherten, zerteilten sich auch diese Klumpen zu neuen Lichtflecken, und jeder dieser Flecken bestand aus unzähligen Milchstraßen. Wenige Stunden, bevor unsere Vorräte erschöpft waren, verließen wir den Warp. Wir flogen in eine schwachleuchtende Plasmawolke ein, stießen die Saugrüssel aus und aktivierten die Filter. Dann setzten wir unsere Reise fort.
    Im Gegensatz zur Großen Mauer, die ihren Namen insofern zu recht trug, als sie sehr viel höher und breiter war als tief, erstreckte sich die neue Superstruktur in alle Dimensionen gleich weit. Sie dehnte sich in den drei Richtungen des Raumes, die unsere organischen Gehirne zu unterscheiden gelernt hatten, und vermutlich noch in einigen weiteren, die sich unseren Sinnen entzogen. Wir registrierten die Anzeichen einer starken retrotensiven Krümmung, die uns zu der Hypothese verleitete, das Große Manifest könne in höhergradigen Dimensionen in sich selbst zurücklaufen. Fassten wir es als große Kugelschale auf, dann hätte es ein Sphäroid aufgespannt, dessen Radius größer als der bisher angenommene Durchmesser des Kosmos gewesen wäre. Zudem stand die ungeheure Tiefe dieses Galaxienfeldes im Widerspruch zu der Annahme, es handele sich um eine Außenhaut, eine Materiosphäre des Universums.
    Komplexe eingeschachtelte Stauchungen schienen dieses Phänomen zu durchziehen. Möglich, dass wir es durchstießen und nicht jenseits, sondern diesseits herauskamen, im Rücken unseres Ausgangspunktes. Möglich, dass es gar nicht zu durchstoßen war, weil es, wie die Zeit, einen Anfang aber kein Ende hatte. Möglich, dass es nicht nur sphärisch und holistisch, sondern auch temporal gekrümmt waren, und dass wir nicht hinter unserem Ausgangspunkt, sondern vor unserem Abflug herauskommen würden. All das war ungewiss. Selbst im landläufigen Sinn entzogen sich die Dimensionen des Gebildes unserer Wahrnehmung und unseren Berechnungen. Seine Ränder waren nicht abzusehen, deshalb war sein Volumen allenfalls abzuschätzen. Wir taxierten es auf eine

Weitere Kostenlose Bücher