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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Milliarde Galaxien. Damit hätte es die bisher katalogisierte Masse des bekannten Kosmos um ein ganzzahliges Vielfaches überstiegen. Aber auch das war nicht sicher.
    Wir setzten unsere Reise fort. Auf ihre zeitlichen Auswirkungen konnten wir kaum spekulieren. Bei herkömmlichen Antrieb wäre die Zeit extrem gestaucht worden. An jeder Sekunde, die an Bord unseres braven Shuttles verstrich, wären im umliegenden Raum Jahrtausende zuschanden geworden. Wir würden – wenn wir sie jemals wiedersahen – eine Erde zu Gesicht bekommen, die nichts mehr mit der gemeinsam hatte, die wir, vor einigen Jahren, bei unserer überstürzten Flucht aus Pensacola verlassen hatten. Vielleicht würden wieder Dinosaurier in den Sümpfen weiden, oder es würden Kreaturen über die veränderten Kontinente ziehen, die kein menschliches Hirn sich ausdenken könnte, die die Natur aber mit leichter Hand hervorbrachte. Vielleicht war die Sonne längst erloschen, bis wir wieder in vertraute Regionen gelangten, und wir würden sie nicht wiedererkennen, weil sie nichts Vertrautes mehr hatten. Aber Jennifer war anderer Meinung.
    »Wir fliegen nicht, wir springen«, sagte sie. »An jedem Punkt unserer Impulskette stehen wir still. Deshalb sehen wir das All, es wird nicht verzerrt. Und deshalb kann im Außenraum die Zeit auch nicht anders verstreichen als hier drin.«
    Ich vermochte ihren Optimismus nicht zu teilen, aber die Materie war zu komplex, als dass ich mir ein Urteil hätte anmaßen wollen.
    Sie saß da und lächelte mich an, plauderte über Zusammenhänge, die jedes menschliche Begreifen überstiegen, und zwirbelte dabei eine Strähne ihres dunkelblonden Haars.
    Unsere Vorräte an Tloxi-Granulat und an den süßen feigenartigen Früchten, die wir vom Sonnenplaneten mitgenommen hatten, gingen allmählich zur Neige. Wasser und Luft konnten aufbereitet werden, aber das Shuttle verfügte über keinerlei Einrichtung, um Nahrung zu synthetisieren. Wir mussten daran denken, unser Essen zu rationieren, und stellten uns darauf ein, dass wir hungern würden. Jennifer sah dem mit Gelassenheit entgegen. Ihr Prana-Bindu-Training erlaubte es ihr, wochenlang ohne feste Nahrung auszukommen und dabei nichts von ihrer geistigen Spannkraft einzubüßen. Ich war stolz darauf, dass die abwechslungsarme und, was die Tloxi-Verpflegung anging, geschmacklose Kost mich nicht zur Verzweiflung brachte.
    Dazu passte auch, dass wir im Rahmen unserer Aussöhnung zu einem Wesen mit zwei ausgehungerten Leibern zusammenschmolzen. Wir bildeten eine Symbiose aus zwei Menschen, die wieder zu einem Paar zusammenwuchsen, und einem Schiff. Wir hatten einiges nachzuholen. Seit Jahren hatte unsere Beziehung auf Sparflamme stattgefunden. Jetzt hatten wir die Zeit dazu. Wir konnten uns ganz der Restaurierung unserer in die Jahre gekommenen Liebe widmen. Während der Feldgenerator eine Galaxie nach der anderen an unseren Fenster vorbeischaufelte, liebten wir uns auf der gravimetrischen Liege, die den kargen Wohntrakt des Shuttles bildete und die uns an die schmalen Sofas und improvisierten Hotelnächte unserer Jugend erinnerte. Wir tapezierten das Schiff mit den HoloBildern, die wir am Strand des Sonnenplaneten aufgenommen hatten, und verbrachten unsere Zeit mit Sex, flüsternden Gesprächen und bleiernem Schlaf. Ab und zu sah Jennifer nach den Instrumenten. Ab und zu verließen wir den Warp und flogen eine Gaswolke an, um Plasma aufzunehmen. Wir waren schon über eine Woche im Großen Manifest unterwegs, und noch war kein Ende abzusehen. Während die Filter Wasserstoff molken und in den Speichern verdichteten, leitete Jennifer die Energie der überhitzten Reaktoren den Bugschilden zu, die dunkelrot glühten und Megawatt an überständiger Leistung in den Raum strahlten.
    Auch im Inneren des Shuttles wurde es immer wärmer. Längst hatten wir Schutzanzüge abgelegt. Wir trugen nur noch das sensorielle Unterzeug. Irgendwann, wenn die kritische Temperatur gesunken und die Tanks gefüllt waren, setzten wir unsere Reise fort, die immer spektakulärer und immer eintöniger wurde. Jennifer vertrieb sich die Zeit damit, alte Berechnungen wieder aufzunehmen. Mit untergeschlagenen Beinen, das MasterBoard, das sie aus Sina hatte retten können, auf dem Schoß, hockte sie da und ließ Zahlenkolonnen über den Schirm fliegen.
    »Was machst du da?« Ich kam aus der winzigen Nasszelle des Shuttles, die ich nur in gebückter Haltung betreten konnte. Mit ein paar Tropfen aufbereiteten Wasser hatte

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