Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Vorhandenheit und Beschaffenheit der Atmosphäre kamen hinzu. Zwar hatten wir nicht vor, diese Regionen dauerhaft zu besiedeln, und ein ernsthaftes Terraforming der zu kolonisierenden Welten lag deshalb nicht in unserer Absicht. Aber ein Planet, dessen Masse und Rotationszeit in etwa der irdischen entsprach, der durch ein Magnetfeld vor Strahlung und durch eine Atmosphäre vor Meteoritenregen sicher war, der mittlere Temperaturen aufwies und neben den auszubeutenden Erzvorkommen über Wasser und Sauerstoff verfügte, käme unseren Teams entgegen. Schließlich sollten diese nicht einen Großteil ihrer Zeit und Energie auf die eigene Lebenserhaltung verwenden, sondern eine möglichst hohe Produktivität erreichen.
Dies waren die Vorgaben der Arbeit, die mich in den nächsten Wochen beschäftigte. Auf eine offizielle Dienstvorschrift kamen mehrere ungeschriebene. Eine Hundertschaft an Exogeologen und Planetenmechanikern aus Rogers Stab arbeitete mir zu, während Frankel sich in einer Mischung aus Desinteresse und Skepsis verhielt. Ich lernte, ihn als externe Kontrollinstanz zu benutzen, als ausgelagertes Gewissen, das mir schon rechtzeitig sagen würde, wenn ich mir Flüchtigkeiten hatte zuschulden kommen lassen. So genügte es nicht, mehrere Planeten ausfindig zu machen - was an sich schon kompliziert genug war -, die in allen genannten Faktoren geeignet waren; sie mussten auch allesamt innerhalb eines geeigneten Quadranten liegen, der sich durch eine möglichst ökonomische Flugroute darstellen ließ. Schließlich waren auch das nur die mechanischen Faktoren, deren Komplexität von den menschlichen in den Schatten gestellt wurde. Denn es waren Vorlieben und Abneigungen zu berücksichtigen. Bei den designierten Kommandanten der Basen waren Rangordnungen, Lebensläufe, Spezialgebiete und private Ressentiments einzukalkulieren. Die Intensität der zu erwartenden Zusammenarbeit von Nachbarkolonien war zu den entsprechenden Fähigkeiten der auf ihnen zu stationierenden Personen in Bezug zu setzen. Militärische und verwaltungstechnische Gegebenheiten mussten respektiert werden. Einheiten, die sinnvollerweise auf mehrere Kolonien verteilt worden wären, durften aus organisatorischen Gründen nicht auseinandergerissen werden. Ranggleiche Ehepartner durften nicht weiter als eintausend Flugstunden voneinander entfernt eingesetzt werden, während Sanitätsstaffeln nicht unter eine gewisse Mindestgröße gesplittet werden durften. Und dergleichen mehr. Zwar stand es nicht unmittelbar in meiner Zuständigkeit, derlei Albernheiten zu regeln, aber der Pool an Welten, den ich schließlich zur Verfügung stellte, musste darauf abgestimmt sein, Regelungen zuzulassen, die wiederum mit den Verwaltungsvorschriften kongruierten. Selbst in Krieg und Verbannung musste berücksichtigt werden, dass Luftwaffeneinheiten andere Schichtpläne und wissenschaftliche Teams andere Urlaubsregelungen hatten als die Fliegende Crew.
Jennifer sah ich während dieser ganzen Phase kaum noch. Die Dimensionen der MARQUIS DE LAPLACE brachten es mit sich, dass es auch außerhalb des eigentlichen Wohntraktes genügend Unterkünfte gab. Jede Abteilung verfügte über Gästezimmer, und da die Arbeit den ganzen Schichttag einnahm und Freizeit momentan nicht vorgesehen war, war ich damit zufrieden, mir eine kleine spartanische Kabine anweisen zu lassen, wo ich die Nächte verbringen und allabendlich auf einem privaten Kanal mit Jennifer sprechen konnte. Wir berichteten einander von den Ergebnissen des jeweiligen Tages und wünschten uns dann eine Gute Nacht. Obwohl die Entfremdung zwischen uns anfangs in meiner Untätigkeit begründet gewesen zu sein schien, nahm sie nicht ab, als ich ein neues Tätigkeitsgebiet gefunden hatte, sondern sogar noch zu. Wir gingen beide ganz in unserer Arbeit auf. Die abendlichen Gespräche auf unseren lokalen Kommunikatoren glichen eher Briefings als Unterhaltungen von Eheleuten. Mir fiel auf, dass sie Reynolds Namen in ihren Erzählungen mied und ihm sogar auswich, wenn ich sie direkt nach den Fortschritten meines WO befragte. Das machte mich argwöhnisch, weil ich nicht wusste, ob darin ein bewusstes Verhalten lag. Ich stellte irgendwann fest, dass es mir gleichgültig war.
Laertes war unsichtbar. Obwohl er keine offizielle Aufgabe übertragen bekommen hatte, lag darin nichts Ungewöhnliches. Er durchstreifte oft wochen- und monatelang die entlegensten Gegenden des riesigen Schiffes, oder er schloss sich in seiner winzigen
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