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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Direktheit in die Gegenwart zurück. Umgekehrt konnte sie in blankes Staunen verfallen, wenn ich Dinge erzählte, die mir ganz selbstverständlich waren, etwa wenn ich berichtete, dass Rogers mein persönlicher Ausbilder gewesen war oder dass ich Erinnerungen an den Tag von Persephone hatte.
    »Ich habe mein ganzes Leben auf diesem Schiff verbracht«, sinnierte sie und sah schwermütig zu den einschüchternden Weiten hinaus, die uns nach allen Richtungen umgaben. »Noch nie habe ich einen Planeten betreten, geschweige denn die Erde, und ich bin auch noch nie mit einem kleineren Schiff geflogen, beispielsweise einem Explorer.«
    Dabei blinzelte sie mich listig an. Ich überlegte, was Jennifer sagen würde, wenn ich sie zu einem kleinen Rundflug mitbrächte. Als Offiziersanwärterin hätte sie ein Anrecht auf einen Platz geltend machen können. Schließlich musste sie für das Examen eine bestimmte Anzahl an Flugstunden unter Echt-Bedingungen nachweisen.
    »Wir werden sehen, was sich da machen lässt«, sagte ich ausweichend. »Die Explorerflotte ist auf ein einziges Schiff, die ENTHYMESIS, geschrumpft, und es gibt derzeit keine Einsatzmöglichkeiten, um den Routinebetrieb zu demonstrieren.«
    »Dann müssen wir es beim theoretischen Unterricht bewenden lassen«, seufzte sie. »Glaubst du, wir werden die Erde jemals wiedersehen?«
    Ich schüttelte mein Glas, in dem nur noch ein Eiswürfel klimperte, dessen Bewegung von keiner Flüssigkeit mehr gedämpft wurde. »Wieder ist bei dir ja wohl leicht übertrieben.«
    Sie war aufgestanden und brachte mir einen neuen Whisky. Anstatt sich wieder neben mich zu setzen, blieb sie jedoch stehen, zog ihre Uniformjacke aus und schlenderte im weißen Hemd, ihr Glas in der Hand schwenkend, zur Kuppel hinüber. »Ich bin auf der Höhe des Sirius geboren«, sinnierte sie leise. »Meine Kindheit verbrachte ich im System der Vega, und für den Eintritt in die Fliegende Crew entschloss ich mich bei unserem Aufenthalt vor Beta Centauri.« Sie war stehengeblieben und wandte sich zu mir um. Ich sah nur ihre schlanke Silhouette, deren Formen im Hemd schon weicher waren als im Jackett. »Als wir Kurs auf die Erde nahmen, reichte ich meine Bewerbung ein. Ich hätte, bis wir dort gewesen wären, das richtige Alter gehabt, um die Akademie zu besuchen – auf der Erde.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Dann mussten die Sineser eine Warpraumsonde auf den Jupiter feuern«, fuhr sie voller Verachtung fort. Sie stand immer noch am gegenüberliegenden Ende der Sky Lounge. Ihr schwach erleuchteter Scherenschnitt schien unmittelbar im Raum zu schweben. Nebel und Galaxien stiegen über ihr auf, als wäre sie Teil eines expressionistischen Gemäldes. Als sie jetzt die Spange aus dem Haar nahm und es aufschüttelte, leuchtete die blonde Flut im gelbroten Licht der Eschata-Region auf, die direkt hinter ihrer Schulter loderte. Sie zog die Krawatte aus und begann ihr weißes Uniformhemd aufzuknöpfen.
    »Xanýa«, sagte ich schwach.
    »Waaaas«, summte sie und zog den Laut in die Länge, bis die ganze Kuppel davon wie von einem geheimnisvollen Gesang widerhallte. Sie streifte das Hemd ab, schlüpfte aus den Schuhen und ließ den Rock heruntergleiten. Ich starrte gebannt auf die lautlose und nur aus Schattenrissen bestehende Pantomime. Hätte sie jetzt noch gesprochen oder wäre das Licht angegangen, wäre der Zauber sofort zerstört gewesen. Aber so war es ein magischer Vorgang, dem ich mich nicht entziehen konnte. Als sie nackt war, bot sie das perfekte Bild der weiblichen Silhouette, das in den Sternenraum eingezeichnet war. Sie war ein Sternbild, kein Wesen aus Fleisch und Blut. Ihr Körper war reine Proportion. Dann kam sie langsam auf mich zu. Barfuß, mit wiegenden Hüften, vollführten sie den Slalom zwischen den niedrigen Sitzgruppen und Tischchen. Sie nahm mir das Glas aus der Hand, an dem ich mich wie an einen rettenden Strohhalm geklammert hatte, und beugte sich über mich. Ihr Kuss war bitter von Grenadine und Ingwer, aber ihr Leib duftete wie eine Magnolie, die sich in der Märzensonne ganz von selbst öffnet.
     
    Die Dunkle Materie war wesentlich häufiger, als unsere zufällige Entdeckung der Dunkelwolke zunächst hatte vermuten lassen. Und sie war auch gleichmäßiger im Universum verteilt, als wir nach unserem bisherigen Kenntnisstand glauben konnten. Immerhin hatte uns unsere Flucht schon bis in den Korridor geführt, der jenseits der Lokalen Gruppe lag und hinter dem sich wiederum die Große

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