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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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stoßen möchte, das sie doch schon unmittelbar vor Augen hatten. Die Römer hatten Aquädukte, Rohrleitungen und Kanalisation. Aber sie kamen nicht auf die Idee, dass sie sich die gewaltigen Anstrengungen der Aquädukte hätten ersparen können, wenn ihnen das Prinzip der Kommunizierenden Röhren geläufig gewesen wäre oder wenn sie es technisch hätten umsetzen können. Archimedes führte hydraulische und pneumatische Experimente durch, aber zwei Jahrtausende mussten vergehen, bis die erste Dampfmaschine konstruiert wurde, deren Prinzip in Syracus schon hätte formuliert werden können. Es dauerte zwei Generationen, bis jemand den Einfall hatte, die Dampfmaschine, als sie denn endlich erfunden war, auf Räder zu stellen und sich selbst antreiben zu lassen. Rätselhaft ist auch, dass das Fahrrad, das man für weniger kompliziert als einen Karren halten sollte, ein Zeitgenosse der Eisenbahn ist. Es waren Deutsche, die das Uranatom spalteten und die sich hernach an halbherzige Versuche einer Nutzung machten. Aber es gab kein ernstzunehmendes deutsches Kernwaffenprogramm, obwohl sich diese Waffen wenig später nicht nur als kriegsentscheidend erwiesen, sondern eine ganze neue Epoche einläuteten. Stattdessen verzettelte sich das Reich in der Produktion vermeintlicher Wunderwaffen, die militärisch vollkommen belanglos waren.
    »Wie viel Leid«, schrieb der ältere Ash, »hätte vermieden werden können, wenn man sich immer gleich des Wissens bedient hätte, über das man de facto schon verfügte.« Denn es geht nicht darum, dass man hinterher schlauer ist als vorher, dass man im Nachhinein über die Informationen verfügt, die man zu Beginn hätte haben sollen, und dass der Fortschritt seine Zeit benötigt. Es geht darum, dass man oft ganz einfach auf bestimmte Dinge nicht gekommen ist, obwohl sie ihren Prinzipien nach bekannt waren und möglich gewesen wären. Das gehört zur Tragik menschlichen Daseins. Man hat die Lösung vor Augen und kommt doch nicht drauf. Wahr ist aber auch, schließt Ash den betreffenden Artikel seines visionären Geschichtswerkes, dass es mehr Leid auf Erden gibt, je mehr Ideen verwirklicht werden und je weiter der technische Fortschritt auf seinem zweischneidigen Weg vorankommt. Die Punischen Kriege mit automatischen Waffen und moderner Artillerie – sie wären noch blutiger, aber wohl kaum weniger verbissen ausgefallen. Und wir brauchen uns keine Illusionen darüber machen, dass Alexander größere Skrupel gehabt hätte, Kernwaffen gegen Zivilisten einzusetzen, als Truman sie später wirklich gehabt hat. Auschwitz wurde möglich durch moderne Logistik und industrielle Organisation, aber ein Timur oder ein Tamerlan schafften das gleiche mit gezückten Messern und den bloßen Händen. Vielleicht missachtet der Mensch seine Spielzeuge und die Möglichkeiten, die sie ihm bieten könnten, deshalb, weil er spürt, dass er ihrer im Grunde nicht bedarf. Geschichte, reduziert auf ihren wesentlichen Kern, auf Mord und Totschlag, ist von Anfang an bis zum gegenwärtigen Tag immer dieselbe.
     
    *
     
    Auch wir hatten damals das Rettende vor Augen, aber wir kamen nicht darauf. Die Phase war von großer Nervosität und äußerer Untätigkeit gekennzeichnet. Wir dachten, es sei dieselbe Sonde, als wieder eine Drohne vom Typus Lambda längsseits ging und sich der Automatik der MARQUIS DE LAPLACE aufschaltete. Diesmal hatte die Sonde keine Warpsignatur aufgefangen, aber was sie entdeckt hatte, war noch viel beunruhigender. Es handelte sich um einen massiven Körper, der die intergalaktische Einsamkeit durchzog. Als halbintelligenter Automat, der seine Beobachtungen interpretieren, eine Risikokalkulation vornehmen und sein Verhalten innerhalb vorgegebener Routinen frei abstimmen konnte, hatte die Sonde den Körper sogar mehrere Tage lang beobachtet. Wir verfügten über ausreichend Daten, was seine Größe, Masse, Geschwindigkeit und anderes betraf. Schweigend und mit leichtem Gruseln betrachteten wir die Bilder, die nach der Freigabe der Daten über unsere Schirme in der Planetarischen liefen.
    Es war ein Schiff, daran war kein Zweifel möglich. Kein Asteroid verirrte sich so tief in den intergalaktischen Raum. Vor allem lag kein Asteroid so ruhig auf seiner Bahn. Das Objekt rotierte weder, noch trudelte es. Vollkommen ruhig zog es dahin, mit einer Geschwindigkeit, die einerseits beeindruckend war, andererseits zu Skepsis Anlass gab.
    »Da stimmt etwas nicht«, sagte Jennifer, als sie die Daten

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