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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Mauer ausbreitete. Aber als wir jetzt lernten, die Dunkle Materie zu beschreiben, ihr Verhalten in Formeln zu pressen und sie auf große Entfernungen zu orten, schien sie plötzlich überall zu sein. Große Wolken, deren Erstreckung nach Lichtjahren bemessen war, schwebten in den sternenlosen Zonen zwischen den Galaxien. Ausgedehnte Fäden oder Stränge zogen sich, wie dünne Nebelstreifen, von einer dieser Wolken zur anderen. Ihr Vorkommen war auf die Bruchzonen des Kosmos beschränkt. Wo Galaxien oder ganze Galaxiengruppe auseinanderdrifteten und dabei die Raumzeit zerdehnten, trat Dunkle Materie in kaum glaublichen Massen auf. Ob sie sich dort wirklich aus dem Nichts bildete, wie Frankel gemutmaßt hatte, mussten wir dahingestellt sein lassen. Immerhin war die Hypothese verlockend. Jedes weitere Vorkommen, das wir entdeckten, schien sie zu untermauern. Die Dunkle Materie schien so etwas wie das Bindegewebe des Universums zu sein, das überall dort auftrat, wo keine funktionale Materie vorhanden, wo aber Spannungen auftraten und der ganze Leib des Kosmos sich bog und dehnte.
     
    Seit wir uns von der Eschata-Region abgesetzt hatten, trieb die MARQUIS DE LAPLACE im intergalaktischen Raum. Wir waren nicht in den Großen Korridor zurückgekehrt, sondern befanden uns im Kleinen Korridor, der wie ein Grabenbruch durch die Lokale Gruppe ging. Eine Ortung schien hier ausgeschlossen. Licht oder Radiowellen, die wir emittierten, breiteten sich viel zu langsam aus. Eine Durchquerung dieser Räume bei konventionellem Antrieb hätte Jahrmilliarden gedauert. Wir fühlten uns also sicher wie in Abrahams Schoß. Dennoch wollten wir es nicht an Vorsichtsmaßnahmen mangeln lassen. Da die Arsenale der MARQUIS DE LAPLACE noch über einige Lambda-Ionensonden verfügten, die auf begrenzte Warpfähigkeit umgerüstet waren, verfielen wir auf die Idee, aus diesen einen Sperrgürtel zu errichten, der unsere Vorfelderklärung unterstützen sollte. Wir konnten unseren Sensoren damit eine vertausendfachte Reichweite geben und die entsprechende Vorwarnzeit vergrößern. Ein Dutzend Sonden wurden in die Leere hinausgefeuert. Sie positionierten sich auf einer Kugelschale, die die MARQUIS DE LAPLACE nach allen Seiten hin umschloss und deren Radius zehn Lichtjahre betrug. Die Sonden waren darauf programmiert, die endlosen intergalaktischen Einöden zu durchleuchten und sich im Fall, dass sie etwas Verdächtiges registrierten, zur MARQUIS DE LAPLACE zurückzukatapultieren.
    Dementsprechend groß war unser Schreck, als eines Tages tatsächlich eine Lambda-Sonde aus dem Warpraum auftauchte, in einigen Kilometern Entfernung längsseits ging, sich online auf den Hauptrechner der MARQUIS DE LAPLACE schaltete und eine verschlüsselte Nachricht übertrug. Unsere Hoffnung, es könne sich um ein Lebenszeichen von unseren Kolonien in Eschata handeln, von denen seit anderthalb Jahren jeder Kontakt fehlte, wurde bald zunichte gemacht. Sowie Commodore Wiszewsky die Nachricht autorisiert und zur Entschlüsselung freigegeben hatte, wurde Gewissheit, was bis dahin nur Gegenstand von Albträumen oder von nächtlichen Gesprächen gewesen war.
    Die Sonde hatte eine Warpsignatur aufgefangen. Das Muster ließ keine Zweifel daran, dass ein automatisches Geschoss sinesischer Bauart die Weiten des intergalaktischen Raumes durchkämmte. Wenn man nun allerdings glauben würde, dieses Ereignis hätte an Bord der MARQUIS DE LAPLACE eine Reihe hektischer Aktivitäten ausgelöst, ginge man gänzlich fehl. Das Gegenteil war der Fall. Wir verfielen in eine Art Lähmung.
    »Aus einem Ereignis kann man kein Muster ableiten«, war die offizielle Ansicht Commodore Wiszewskys. »Wenn wir nun in Aktionismus verfallen und uns bewegen, weil wir nicht stillhalten können, laufen wir ihnen geradewegs in die Arme.«
    Auch wenn das nur eine wortreiche Umschreibung seiner angeborenen Passivität war, gab es doch wenig, was man ihm hätte entgegnen können. Sollten wir an Ort und Stelle verharren oder sollten wir unsere Position verändern?
    Die Lambda-Sonde wurde betankt, reprogrammiert und auf ihre Position zurückgeschickt. Einige Wochen lang geschah nichts.
     
     
    Der Chronist
     
    Die Geschichte ist eine Geschichte von Verspätungen, von geistigen Fehlleistungen auch, die im Nachhinein unbegreiflich scheinen, von Versagen, bei dem die Handelnden der Lösung schon so nahe waren, dass man ihnen über die Jahrhunderte hinweg die Antwort zuschreien und sie mit der Nase auf das Richtige

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