Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
zweihundert Jahren«, rief Jennifer.
Frankel erstickte das Lachen mit einer herrischen Gebärde. »Am Ende werde ich die Lacher auf meiner Seite haben«, kläffte er. »Aber ich war noch nicht fertig.« Er wandte sich jetzt direkt an seinen Konkurrenten Taylor. »Wie Sie selbst bemerkt haben, kann man die Substanz mit Lasern oder anderen Energie beschießen, ohne dass eine Erwärmung festzustellen ist. Die Energie wird einfach absorbiert, was dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik fundamental widerspricht.«
Taylor nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.
»Aber ist Ihnen dabei sonst nichts aufgefallen?«, fragte Frankel.
»Sie dehnt sich aus«, sagte Taylor wie aus der Pistole geschossen. »Die Volumenzunahme ist proportional zur aufgewendeten Energie.«
»Richtig und falsch«, näselte Frankel in oberlehrerhaftem Ton. »Sie dehnt sich aus. Aber das ist keine Zunahme des Volumens, sondern des Raumes!«
»Ich verstehe kein Wort «, rief ich dazwischen.
Frankel platzte beinahe, so aufgeblasen war er jetzt. Mir war aber etwas ganz anderes aufgefallen. Jennifer war nämlich bei den letzten Sätzen in tiefes Nachdenken versunken. Irgendetwas schien an Frankels paradoxer Formulierung dran zu sein, das sich meinem Verständnis entzog, das aber ihr, die mehr von der Materie begriff als ich, überlegenswert war.
»Gestatten Sie, dass ich ein wenig aushole«, wandte Frankel sich unmittelbar an mich. »Gewöhnliche Materie stellt ein Äquivalent der Energie her. Einsteins Formel gibt uns den Koeffizienten, nach dem wir Energie und Materie füreinander setzen können. Bei einer thermischen Reaktion wandeln wir Materie in Energie um, und im Labor haben wir auch schon geringe Spuren von Materie aus reiner Energie aufgebaut.«
Ich nickte ihm aufmunternd zu.
»So weit, so gut«, sagte er. »Die Dunkle Materie, mit der wir es hier zu tun haben, ist keine Materie und sie korreliert auch nicht mit Energie. Ihr Korrelat ist der Raum.«
Ich schüttelte den Kopf. Mit einem Seitenblick nahm ich wahr, dass Jennifer immer noch in düsteres Grübeln versunken war.
»Sie haben die Substanz im Labor untersucht«, wandte Frankel sich jetzt wieder an Taylor. »Aber haben Sie sich auch einmal angesehen, wo sie vorkommt?«
»In einer sternenarmen Region«, antwortete Taylor eilig. »Deshalb entzog sie sich im Vorfeld unserer Wahrnehmung.«
»Richtig«, sagte Frankel. »Aber wo liegt diese Region?«
Taylor verzog das Gesicht zu einer Grimasse des »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Im intergalaktischen Raum«, erklärte Frankel behäbig. »An einer Nahtstelle.«
»Die Dehnung«, platzte Jennifer hervor.
Frankel horchte auf. »Sehr gut, Major«, rief er. »Wir befinden uns hier an einer Nahtstelle der Lokalen Gruppe, die auf einer Länge von mehreren hunderttausend Lichtjahren auseinanderbricht. Die großen bekannten Galaxien und ihre Satelliten, Milchstraße und Andromeda, driften auseinander. Dabei verformen sie die zwischen ihnen aufgespannte Raumzeit und – dehnen sie. Der Raum selbst wird in die Länge gezogen. Da leerer Raum nicht reißen kann, bringt er etwas hervor, ein Korrelat.«
Ich hob die Hand, um ihn zum Einhalten zu bringen. »Moment, Moment! Nur, damit ich das verstehe. Der leere Raum bringt etwas aus sich hervor, das keine Masse, aber Gravitation hat, um seiner Überdehnung entgegenzuwirken?«
Frankel strahlte mich an. Taylor strich sich nervös den Schnurrbart. Er war verstummt, aber ich konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. Jill hatte die Backen aufgeblasen, als stelle der Mitvollzug dieser Einsichten eine körperliche Anstrengung dar. Jennifer nickte still vor sich hin.
»Versuchen Sie es sich folgendermaßen vorzustellen«, sagte Frankel. Er streckte beide Hände vor und legte sie flach nebeneinander, sodass die Handrücken eine zusammenhängende Ebene bildeten. Dann bewegte er die Hände langsam auseinander. »Im Atlantik rücken zwei tektonische Platten auseinander. Aber aus der Naht, die sich zwischen ihnen öffnet, steigt ständig neue Materie auf, die die Lücke wieder füllt. Tag um Tag entsteht so neuer Meeresboden.«
Ich versuchte dieses Phänomen mit seiner Theorie der Dunklen Materie in Einklang zu bringen. »Aber die Lücke auf dem Meeresboden kann sich schließen, weil Magma aus tiefergelegenen Schichten aufsteigt ...«
»Die tiefergelegenen Schichten sind in unserem Fall höherwertige Dimensionen der Raumzeit, vielleicht sogar höherdimensionale Universen, die in den
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