Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Wisconsin, Kalifornien, Florida und Washington.
Am Wochenende wurde es immer schwieriger, einen guten Tisch im Deanie’s oder im Café Espresso zu ergattern. Und wenn man dort seine Ohren aufsperrte und den Unterhaltungen lauschte, dann brauchte man nie lange zu warten, bis man irgendjemanden die Worte »Bob Dylan« sagen hörte. Alle trugen sie die neue Uniform: Batikzeug, Schlaghosen, Kaftans, Glöckchen, Perlen und getönte Sonnenbrillen. Alex, Tommy, ich und die Jungs von den Hawks sahen nicht so aus. Wir kleideten uns mehr wie die Einheimischen: dunkle Klamotten, Karohemden, engere Hosen, kürzeres Haar. In diesem Meer kunterbunter Langhaariger sahen wir aus wie Leichenbestatter.
Obwohl einem das alles gewaltig auf den Sack gehen konnte, wenn man einfach nur was essen oder ein Bierchen trinken wollte, musste ich zugeben, dass ich den Neuankömmlingen, rein geschäftlich betrachtet, durchaus etwas abgewinnen konnte. Der-und-der würde mit Dem-und-dem reden, der im Gespräch erwähnen würde, dass sie Dies-und-das von Wie-heißt-er-gleich bekommen hätten, und ehe man sichs versah, würde unser Telefon nicht mehr aufhören zu klingeln. Und jedes Mal, wenn man den Hörer abnahm, würde irgendein fröhliches Hippie-Girl oder ein nervöser College-Boy fragen, ob ich was hätte, um sie »gut drauf zu bringen, Alter«.
Bald darauf musste ich tatsächlich immer öfter Alex und Johnny B damit beauftragen, für mich Stoff nach Bearsville und Saugerties zu liefern oder den Stoff bei irgendwelchen Blockhütten abseits der Bergstraßen vorbeizubringen. Wir expandierten zu einem regelrechten Heimarbeitsunternehmen, und allmählich trudelte richtig Kohle ins Haus. Ich hatte einen Schuhkarton mit sechstausend Dollar – was damals eine Menge Asche war – im doppelten Boden meines Kleiderschranks deponiert. Ich kaufte mir eine schwarze Corvette Stingray, Baujahr ’65, die letzte Baureihe mit Einspritzer – Levon fuhr total auf den Wagen ab und kaufte sich später selbst eine goldene – und meine erste richtig gute Gitarre, eine wunderschöne Martin 0017 von 1938, eine von denen mit kleinem Korpus. Dylan hatte auch so eine.
Der einzige Nachteil war, dass ich jeden Donnerstag über die Schnellstraße nach New York und wieder zurück musste – mit einem Handschuhfach, zum Bersten voll mit Uppers, Downers, Koks, Heroin und vier oder fünf Sorten Gras. Ich versuchte, Dave zu größeren Lieferungen zu überreden, um die Zahl meiner Touren in die große Stadt auf ein oder zwei im Monat reduzieren zu können, aber der Gedanke daran, solche Mengen im Haus zu haben, machte ihn nervös. Und so wie Dave lebte, konnte ich ihm das nicht einmal übel nehmen. Also griff ich für das härtere Zeug immer öfter auf die schwarzen Jungs von der 10 th Avenue zurück. Die streckten das Zeug zwar stärker, konnten aber immer liefern.
Es war früher Abend, und zum ersten Mal in diesem Jahr saßen wir draußen auf der Veranda – Alex, dieses Mädchen namens Susie, mit dem er ausging, Tommy und ich –, tranken Bier und ließen einen Stick mit superstarkem Thai-Gras rumgehen. Die Wohnzimmerfenster waren geöffnet, drinnen lief das erste Album von Buffalo Springfield. Die Sonne stand dicht über den Baumwipfeln, in die allmählich das Grün zurückkehrte. Ein paar Stunden zuvor hatte es geregnet – ein kurzer Aprilschauer –, und in den knisternden Pausen zwischen den Songs konnte man hören, wie das Wasser von der Regenrinne und den Zweigen der Pinien in die Regentonne neben der Veranda tropfte.
Von der Ohayo Mountain Road hörte man das Motorengeräusch eines Autos, das leiser wurde, als der Wagen in die nahe gelegene Kurve fuhr. Dann schaltete er rauf und raste mit quietschenden Reifen hindurch. Grinsend sah Alex mich an und sagte: »So ein Arschloch.« Das Motorengeräusch wurde lauter, und ich schüttelte den Kopf, als meine Corvette zwischen den Bäumen auftauchte. Am Steuer saß Johnny B, der viel zu schnell die einspurige Straße entlangkam, um schließlich gleichzeitig auf die Bremse zu treten und das Lenkrad herumzureißen, sodass der Wagen im Halbkreis herumschleuderte und nassen Schotter und Matsch aufwirbelte, bevor er vor dem Haus zum Stehen kam. Breit grinsend stieg er aus und kam mit triumphierend in die Höhe gereckten Armen die Stufen hinauf. »Und schon wieder passierte Juan Manuel Fangio als Erster die Zielflagge! Hi, Alex, hi, Süße …« Er wuschelte Susie durchs Haar.
»Hab ich dir nicht gesagt, du sollst aufhören,
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