Music from Big Pink: Roman (German Edition)
– eigentlich nie weiter südlich als New Jersey –, nickte aber trotzdem. »Wir hatten gerade eingecheckt, da kam Levon an und tat so, als wollte er mich in den Pool schmeißen! Himmel, mein Vater hielt ihn für einen gefährlichen Irren!«
Diese reiche Göre. Auf Daddys Kosten die Sau rauslassen. »Möchtest du noch was trinken?«, fragte ich sie.
Als wir alle ordentlich einen sitzen hatten, gingen wir weiter zu Deanie’s. Die Leute tanzten. Als »Dock of the Bay« lief, zog Skye mich auf die Tanzfläche, schmiegte sich an mich, legte ihren Kopf an meine Brust und ergriff mit ihrer zierlichen rechten Hand meine linke. Ganz kitschig und altmodisch legten wir einen kleinen Walzer aufs Parkett.
»I left my home in Georgia …«
Croppers Gitarrensolo schimmerte wie ein Lichtstrahl durch die verrauchte Luft, versetze Otis’ Stimme einen sanften Stoß, schubste sie ein letztes Mal vorwärts. Redding starb 48 Stunden nachdem sie den Song aufgenommen hatten. Vor meinem inneren Auge sah ich das winzige Flugzeug mit Otis und den Jungs von dieser Soulband – den Bar-Kays? –, wie es aus dem Himmel über Wisconsin auf den Monona-See zutrudelt, und alle schreien und beten. Mann, war das ein beschissener Schock gewesen. Kaum zu glauben, dass es erst letzten Dezember passiert war. Es fühlte sich an, als wäre es Jahre her.
»Cause I’ve had nothing to live for …«
Ich drehte Alex und den anderen den Rücken zu und versuchte, so nah wie möglich an Skyes Haar zu kommen, ohne dass sie meinen Atem spürte. Sie roch nach Äpfeln, Kastanien und Zigaretten. Sie sang leise mit, und durch ihre Brüste spürte ich die Vibration ihrer Stimme an meinem Herzen. »Ich wollte dich noch etwas fragen«, sagte ich. »Warum bist du damals nachts verschwunden?«
»Wann nachts?«
»Auf dieser Party nach der Dylan-Show, nachdem Richard gesungen hatte?«
»Ach, da. Mir war wohl übel.« Sie hatte ihr Gesicht an meiner Schulter vergraben, und ich musste mich hinabbeugen, um sie zu verstehen. Der Geruch ihres Haars wurde stärker, versetzte mir einen Stich ins Herz. »Zu viel Gras.«
»Looks like nothing’s gonna change.«
Wir hielten einander und vollführten eine halbe Drehung. Dann hob sie den Kopf, blickte zu mir auf, ihr Atem roch süß nach Bourbon, und sagte mit trauriger Stimme: »Die meisten Leute halten das für ein eher fröhliches Lied, oder?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Aber der Text ist so traurig.«
»Vielleicht denkst du das nur, weil Otis gestorben ist.«
»Nein, er ist einfach traurig.«
»And this loneliness won’t leave me alone.«
»Vielleicht fühlt man sich hinterher nicht so traurig«, sagte ich, als der Song ausblendete und der Barkeeper die letzte Runde ankündigte, »weil Otis am Ende pfeift.«
»Ja, vielleicht«, Skye lächelte wieder und legte ihre Arme um meinen Hals. »Hast du zu Hause noch irgendwas zum … ähm … Naschen? Mir ist jetzt noch nicht nach Schlafen.«
»Da wird der Onkel Doktor schon was finden«, sagte ich und führte sie zurück zum Tisch, während die Jukebox »All Along The Watchtower« spielte.
Wir waren noch wach, als alle anderen längst in ihren Betten lagen, rauchten den letzten meiner Thai-Sticks und leerten den Rest der Whiskyflasche. Es war noch immer frisch genug, um abends den Kamin anzumachen, also hatte Alex ein Feuer angezündet, als wir nach Hause gekommen waren. Die letzten Scheite unseres Brennholzvorrats loderten knisternd auf dem Rost und warfen Schatten – springende Hunde, zitternde Monster – an die Wand. Das Feuer und der weiße Streifen unter der Küchentür waren die einzigen Lichtquellen im Raum.
Wir lagen an entgegengesetzten Enden des Sofas und reichten uns den Joint hin und her. Seltsamerweise hatten wir keine Musik aufgelegt. Wir lauschten einfach nur, wie der Wind der Catskills um das alte, hölzerne Haus blies, das unter seinen Attacken ächzte und stöhnte. Dabei unterhielten wir uns über die Jungs in der Band. »Also«, ich nippte an meinem Canadian Club und versuchte, meine Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen, »wie läuft es denn so mit Rick?«
»Rick? Er ist so witzig. Er bringt mich zum Lachen. Er ist so ein …«, sie überlegte einen Augenblick, »er hält sich für den totalen Checker, weißt du, so businessmäßig. Aber er ist halt nicht wie Robbie. Der ist echt hammerhart.«
»Wie meinst du das?«
»Dem geht’s wirklich nur ums Business. Ich glaube, er würde über Leichen gehen, solange er damit sein Ziel
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