Muss ich denn schon wieder verreisen?
das sei ja zu verstehen. »Der eine interessiert sich für Kultur und der andere für Blumen«, sagte Frau Terjung etwas herablassend. »Chacun á son goút.«
»Apropos Kultur. Wer schreibt denn hier nun angeblich Bücher?«
Warum mußte dieser Kerl noch mal davon anfangen? Niemand hätte mehr daran gedacht, wenn Jens nicht nachgehakt hätte.
»Richtig«, fiel nun auch Betti wieder ein, »wer ist die große Unbekannte?« Sie sah uns der Reihe nach an, dann strahlte sie über das ganze Gesicht. »Ich glaube, ich weiß es! Schriftsteller wohnen doch immer im Grünen, in der Schweiz oder am Starnberger See. Sie brauchen die Natur um sich herum, viel frische Luft… Verena, geben Sie’s zu, Sie sind es!«
»Bloß, weil ich bei offenem Fenster schlafe?«
»Nein, auch wegen Ihrer künstlerischen Ader. Wer so herrliche Seidentücher malt, kann bestimmt auch noch was anderes. Von einer Verena Reutter habe ich zwar noch nichts gelesen, aber wer kennt schon alle Schriftsteller? Es gibt doch so viele.«
»Ehrenwort, ich gehöre nicht dazu«, beteuerte Verena.
»Gehen wir mal systematisch vor.« Gregor musterte jede einzelne von uns. »Wir wissen, daß der Unbekannte eine Sie ist und anscheinend schon ein Buch veröffentlicht hat, vielleicht sogar mehrere. Ich habe keine Ahnung, wie lange man dazu braucht, würde aber sagen, daß wir Hanni und Claudia aufgrund ihres jugendlichen Alters ausklammern können.«
Das war sehr diplomatisch ausgedrückt, denn Claudia hatte bestimmt keine literarischen Ambitionen.
»Bleiben also noch zehn Damen übrig«, nahm Gregor den Faden wieder auf. »Frau Anneliese ist Krankenschwester, ein Beruf, der kaum Zeit für eine Nebenbeschäftigung läßt. Doch Frau Waltraud könnte es sein; immerhin hat sie eine poetische Ader. Denken wir doch nur an das hübsche Gedicht von vorhin.«
»Ach, das mache ich nur so zum Vergnügen«, wehrte diese verschämt ab, »da müssen Sie schon woanders suchen.«
»Wie ist es mit Ihnen, Frau Elena? Vielleicht schreiben Sie spanische Bücher?«
»Weder deutsche noch spanische«, sagte Alberto sofort, »meine Frau nimmt ungern einen Stift zur Hand. Sogar die Weihnachtskarten muß ich immer schreiben.«
»Wieder eine weniger«, hakte Gregor seine imaginäre Namensliste ab. »Wer bleibt denn noch übrig? Frau Susanne?«
Die verbat sich derartige Verdächtigungen. Sie lese zwar Bücher, würde jedoch nie auf den Gedanken kommen, eins zu schreiben. »Das wäre mir viel zuviel Arbeit.«
»Frau Maria brauchen wir wohl nicht erst zu fragen, obwohl es ja schon eine Bäuerin gegeben hat, deren Bestseller sogar verfilmt worden ist, doch das wird eine Ausnahme gewesen sein. Und Frau Wimmerle? Wäre sie die Gesuchte, hätte sie es längst zugegeben.«
Heini nickte bestätigend. »Meine Frau kann bloß reden.«
»Wen also haben wir noch? Ich tippe auf Frau Conrads. Als Studienrätin dürfte sie im Laufe ihrer Tätigkeit nicht nur genug Stoff für mehrere Bücher gesammelt haben, sondern auch die Voraussetzungen mitbringen, ihre Erlebnisse in Worte zu fassen. Angeklagte, gestehen Sie!«
»Ich bekenne mich nicht schuldig«, kam es prompt zurück. »Ihre Vermutung empfinde ich als äußerst schmeichelhaft, doch leider trifft sie nicht zu.«
»Nicht?« Jetzt sah Gregor doch etwas verblüfft aus. »Ich war mir ganz sicher.«
»Denk doch mal an das Nächstliegende«, rief Gustl. »Unsere Reiseleiterin! Warum soll sie nicht…?«
»Weil sie vorhin gesagt hat, daß sie gespannt ist, wer in dem künftigen Buch besser wegkommt, Touristen oder Einheimische.« Gregor entwickelte tatsächlich kriminalistische Fähigkeiten, jedenfalls konnte er kombinieren. Ob er am Ende Polizeifotograf war?
»Zu wem hat sie das gesagt?« wollte Jens wissen.
»Ich glaube, zu Frau Irene.«
»Na also, dann haben wir doch die große Unbekannte!«
Schon während der ganzen Befragung hatte Irene sich amüsiert, doch jetzt bekam sie einen regelrechten Lachanfall. »Die einzigen Texte, die ich je veröffentlicht habe, sind die Einleitungen zu meinen Blumenzwiebel-Katalogen gewesen«, sagte sie glucksend, »jeweils eine Schreibmaschinenseite lang, und darüber brüte ich manchmal drei Wochen. Die Vorstellung, ich sollte ein ganzes Buch schreiben, ist einfach absurd.«
Das allerdings stimmt. Briefe von Irene haben Seltenheitswert. Es langt höchstens mal zu einer Karte anläßlich eines außergewöhnlichen Ereignisses, ansonsten bevorzugt sie telefonische Kommunikation, die bis zu einer Stunde
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