Muss ich denn schon wieder verreisen?
dauern kann. Und das mit Vorliebe zu einer Tageszeit, wenn normale Menschen entweder schon im Bett liegen oder auf dem Weg dorthin sind und mit Zahnpastaschaum im Mund zum Hörer stürzen.
»Dann bleibt nur noch eine übrig!« Gregor sah mich durchdringend an. »Sie!«
»Na endlich!« Irene gab einen tiefen Seufzer von sich. »Hat ja lange genug gedauert.«
Allgemeines »Ahh« und »Ohh«, untermalt von: »Ha no, des hätt’ i ned gedenkt, daß i ämol ä richdige Schriftstellerin kennelern.« – »Was schreiben Sie denn? Liebesromane? Die lese ich am liebsten.« – »Den Namen habe ich aber noch nie gehört.«
Mir blieb nichts anderes übrig, als mich den Fragen zu stellen. Ja, ich schreibe unter einem Pseudonym, nein, keine Liebesromane, ja, ich habe schon mehrere Bücher veröffentlicht, ja, die Titel würde ich noch nennen, später vielleicht (»Des isch doch ganz äbbes anners, wenn man den kennt, wo des Buch geschribbe hat«), nein, ich weiß nicht, ob ich auch eins über diese Reise schreiben werde, nein, keine Ahnung, ob Bücher von mir am Münchner Flughafen erhältlich sind, falls ja, würde ich gerne etwas hineinschreiben, nein, Autogrammkarten besitze ich nicht, wozu auch, ich bin ja kein Filmstar… Ich kam mir vor wie bei meiner ersten Pressekonferenz, als ich – noch ungeübt im Umgang mit Journalisten – alles erzählte, was sie wissen wollten, und hinterher die erstaunlichsten Dinge über mich las, von denen nicht ein Wort gestimmt hatte. Normalerweise sind ein Durchschnittsgesicht und ein Pseudonym ausreichend, wenn man von seinem ›Zweitberuf‹ nichts verlauten lassen will, doch dann müssen eventuelle Mitwisser auch den Mund halten. Genau das hatte Frau Marquardt nicht getan. In Gedanken wetzte ich schon das Messer!
Endlich beruhigten sich die Gemüter. Der Sekt war alle, die nächste Runde wurde bestellt.
Irene lächelte nur, als ich mich wieder zu ihr setzte. »Du wirst mit einer erheblichen Umsatzsteigerung rechnen können.«
»Halb so wild, ich kenne das doch. Übermorgen denken sie schon gar nicht mehr daran, und nächste Woche, wenn sie bei Karstadt durch die Buchabteilung laufen, haben sie meinen Namen längst vergessen. Mich ärgert sowieso, daß die ganze Sache hochgekommen ist. Sollte ich tatsächlich mal diese Reise verwursten, und sollte jemandem aus der Gruppe ein Exemplar in die Hände fallen, weiß er doch, wer dahintersteckt. Ich wäre lieber anonym geblieben. Entweder darf ich nicht die Wahrheit sagen, oder ich kriege mindestens zwei Prozesse an den Hals.«
»Von Waltraud und Anneliese?«
»Nee, von Ännchen und Irene!«
Oben im Zimmer räsonierte ich weiter. Unter dem wenig originellen Vorwand, Kopfschmerzen zu haben, hatte ich mich verdrückt, und Irene war mir kurze Zeit später gefolgt.
»Feigling!« schimpfte sie. »Allmählich wirst du doch an derartige Auftritte gewöhnt sein.«
»Bin ich ja auch, und trotzdem komme ich mir jedesmal albern vor und in eine Rolle gedrängt, die mir überhaupt nicht liegt. Du weißt doch, daß ich von Natur aus schüchtern bin.«
»Selbstbewußtsein kann man lernen.«
»Das versuche ich ja immer, nur hält es nicht lange vor. Mir fehlt eben dein schauspielerisches Talent.«
»Du sollst Selbstbewußtsein haben und nicht spielen!«
»Woher denn? Als Nur-Hausfrau kann man kaum welches entwickeln, und als ich mit der Schreiberei angefangen und sogar Erfolg hatte, war’s zu spät dazu.«
»Das klingt ja beinahe nach Minderwertigkeitskomplexen.«
»Die habe ich sowieso, seitdem mir mein gesamter Nachwuchs über den Kopf gewachsen ist. Die sind nämlich alle größer als ich.«
»Länger«, verbesserte sie sofort, »nicht größer!«
Es klopfte. »Ja, bitte«, rief ich, froh über die Unterbrechung. Anneliese schob sich zaghaft ins Zimmer, bewaffnet mit einem Tablettenröhrchen. »Ich habe mir gedacht, daß Sie vielleicht nichts dabeihaben, und da wollte ich…«
Mir war sofort klar, daß es sich bei diesem Angebot nur um einen Vorwand handelte, denn welcher vernünftige Mensch verreist ohne seine private Notapotheke? Trotzdem bedankte ich mich höflich und wartete auf das, was zweifellos noch kommen würde.
»Ja, also was ich noch sagen wollte«, fuhr sie fort, »ich habe mich vorhin richtig geschämt.« Sie nestelte ihr Taschentuch heraus und wischte sich damit über die Augen. »Weil… ich bin nämlich diejenige gewesen, die so ein paar dumme Bemerkungen fallengelassen hat. Eigentlich nur aus Spaß und weil man jetzt
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