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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sind also verheiratet, haben fünf Kinder und schreiben Bücher. Seit wann?«
    Auch das steht ausführlich in besagter Pressemappe, doch die Autorin, froh, sich endlich wieder auf vertrautem Terrain zu bewegen, antwortet bereitwillig. Im übrigen hat Frau Müller keine weiteren Fragen. »Ich habe da so etwas zugeschickt bekommen, hatte allerdings noch keine Zeit, hineinzusehen. Da steht ja sicher alles drin, was ich wissen möchte, nicht wahr? Jetzt muß ich nämlich weg. Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.« Sie steht auf, sieht sich suchend nach der Kellnerin um, akzeptiert dankend die Einladung, gibt der leicht gefrusteten Autorin die Hand und enteilt.
    Die Autorin begleicht die Rechnung, läßt sich eine Quittung geben, weil sie die später beim Verlag einreichen muß, und als sie gehen will, bemerkt sie den liegengebliebenen Notizzettel. Beim Hinausgehen wirft sie ihn in den Papierkorb.
    Einige Wochen später erhält sie vom Verlag ein Exemplar des Heimatboten. Die Seite mit dem Interview ist rot angekreuzt. Verblüfft liest sie, daß sie ein drahtiger Typ sei, etwa der Kategorie Sportlehrerin zuzuordnen, und außerdem sehr männlich gekleidet.
    Abgesehen davon, daß sich ihre sportlichen Aktivitäten auf gelegentliches Radfahren zum Bäcker beschränken (samstags gibt es frische Brötchen zum Frühstück), wundert sich die Autorin über ihr vermeintlich maskulines Aussehen. Ihre Vorliebe für Hosen teilt sie mit Millionen anderer Geschlechtsgenossinnen, eine Bluse ist ein ausschließlich weibliches Kleidungsstück, und einen Blazer hat wohl so ziemlich jede Frau im Schrank hängen. Frau Müller hatte ja auch einen getragen, einen roten, passend zu den gemusterten pfirsichfarbenen Leggings und dem graugrünen Schlabberhemd, aber in diesem Outfit hätte wenigstens niemand gewagt, sie als maskulin zu bezeichnen.
    Das Interview kannte die Autorin bereits. Es war fast wörtlich aus der Pressemappe abgeschrieben.
    Der Ehrlichkeit halber muß ich jedoch zugeben, daß sich die meisten Journalisten auf ein solches Gespräch gut vorbereiten und es manchmal sogar schaffen, durch geschickte Fragen mehr private Informationen herauszuholen, als man eigentlich zu geben bereit gewesen war.
    Steffi haßt Öffentlichkeitsarbeit. Stellt sie sich wirklich mal als Chauffeur zur Verfügung, dann nur unter der Bedingung, nicht in Erscheinung treten zu müssen. Folglich hatte sie das recht einseitige Interview auch nur aus der Ferne mitgekriegt. Vergraben hinter Zeitschriften und einem riesigen Eisbecher, hatte sie zwar hin und wieder zu unserem Tisch herübergelinst, meine verstohlenen Zeichen, mich doch endlich loszueisen, jedoch standhaft ignoriert. »Warum hätte ich denn sollen? Ihr habt euch doch blendend unterhalten!«

16
    Um einundzwanzig Uhr sollte der Flieger starten, um halb zehn ging er endlich hoch, um halb zwölf gab es Abendessen, um zwei, als ich etwas eingedöst war, flimmerte ein alberner französischer Film über die Bildschirme, und um vier waren wir immer noch mehr als tausend Meilen vom Zielort entfernt. Dank der Monitore wird man ja laufend über Flughöhe, Außentemperatur und den jeweiligen Standort seines Vogels informiert. Um halb fünf ging die Sonne auf, um halb sechs gab es Frühstück, kurz vor sieben betraten wir maledivischen Boden. Die Uhr im Terminal zeigte drei Minuten nach elf. Male-Zeit.
    Nach Paß- und aufwendiger Zollkontrolle – die Einfuhr von Alkohol, Harpunen und pornografischer Lektüre, wozu auch Illustrierte mit Bikinimädchen auf dem Titelblatt gehören, ist streng verboten – wurden wir zum Hafen eskortiert und den jeweiligen Dhonis zugeteilt. Das ist ein rundherum offenes Schiffchen mit Bänken an den Seiten und einem Sonnensegel obendrüber. Angetrieben wird es von einem recht geräuschvollen Dieselmotor. Der einheimische Steuermann betätigt das Ruder mit den Füßen, weil er die Hände für die Pumpe braucht. Ob damit der Sprit zum Motor oder das Wasser aus dem Kielraum befördert wird, blieb unklar.
    Anderthalb Stunden lang tuckerten wir gemütlich über das spiegelglatte Meer, als endlich ›unsere‹ Insel auftauchte mit dem vorschriftsmäßig weißen Sand und dem grünen Wasser drum herum. Bis wir dort waren, verging noch mal eine halbe Stunde.
    In tropischen Ländern werden neue Gäste traditionell mit einem farbenprächtigen Getränk begrüßt. Das hier war rosa, passend zu den gleichzeitig verteilten Zetteln, auf denen man über so wichtige Dinge wie Essenszeiten,

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