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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bei Spiegelei mit Käse für Steffi und bei Toast mit Marmelade für mich.
    Um diese frühe Stunde pflegen sich nur Taucher im Speisesaal einzufinden, unschwer an der blassen Hautfarbe zu erkennen. Ich war also völlig fehl am Platz. Andererseits frühstücke ich ungern allein. Ein letztes Zögern, ob es nicht doch noch für eine weitere Tasse Kaffee reicht – nein, es reicht nicht, das Boot legt Punkt halb neun ab, und die Tauchbasis befindet sich in entgegengesetzter Richtung am anderen Ende der Insel. Weil ich nichts Besseres zu tun habe, begleite ich meine Tochter und staune jedesmal über die schweißtreibenden Prozeduren, denen sich ein Taucher unterziehen muß. Wie kann man sich nur freiwillig in dieses hautenge Futteral quälen und darüber noch das Monstrum von Weste ziehen, an dem alles mögliche hängt und baumelt? Und was das alles kostet!!! Eine einfache Golfausrüstung kann auch nicht viel teurer sein. Für diesen nach nichts aussehenden kleinen Computer, der außer der Wettervorhersage alles für ein Überleben unter Wasser Wichtige anzeigt, haben wir vor Weihnachten zusammengelegt, sonst hätte Steffi sich den nie leisten können.
    Die Flaschen werden an Bord gehievt, die wie Marsmännchen kostümierten Taucher steigen hinterher, der Kahn legt ab. Bis zwölf habe ich Freizeit.
    Kurzer Abstecher zur Boutique wegen der Briefmarken, gestern waren keine dagewesen. Der Laden ist noch geschlossen. Auch egal. Ob die Daheimgebliebenen ihre Karten einen Tag früher oder später erhalten, spielt keine Rolle (sie bekamen sie erst, als wir wieder zu Hause waren). Kurzer Plausch mit dem Gärtner, der herabgefallene Blätter vom Weg harkt. Nicht sehr ergiebig, er kann kein Englisch, freut sich aber, daß jemand mit ihm redet. Ich stecke ihm ein paar Dollar in die Hemdentasche und gehe weiter. Er kommt hinterhergelaufen und drückt mir eine kleine bunte Muschel in die Hand. Gärtner kriegen wohl selten ein Trinkgeld. Später wundert sich Steffi, daß wir immer frische Blumen im Zimmer haben.
    Ein bißchen schwimmen, ein bißchen lesen, ein nochmaliger Versuch, die Luftmatratze aufzupumpen, aber kaum ist die Luft drin, ist sie auch schon wieder draußen. Vielleicht sollte man nicht bei jedem Sonderangebot gleich zugreifen!
    So ein Vormittag kann sich ganz schön in die Länge ziehen. Da sind auch keine Nachbarn, mit denen man wenigstens mal übers Wetter reden könnte, obwohl es da nichts zu reden gibt. Jeden Tag scheint die Sonne neun Stunden lang vom postkartenblauen Himmel herunter.
    Im Bungalow rechts neben uns wohnen Engländer. Er sitzt meistens auf der Terrasse, Pfeife im Mund und Buch vor der Nase, sie hockt unter einem Schirm am Strand und löst Kreuzworträtsel. Nachmittags treffen sie sich mit einem anderen englischen Paar im Coffeeshop zum Bridge. Abends erscheinen sie als einzige korrekt angezogen im Speisesaal, wo sie sich zwischen all den anderen salopp gekleideten Gästen wie Paradiesvögel ausnehmen.
    Der linke Bungalow gehört zwei Schwestern, irgendwo zwischen vierzig und fünfzig, aber sehr sportlich die beiden. Gleich nach dem Frühstück ziehen sie los in langen Baumwollhosen und T-Shirts, Socken an den Füßen, Flossen und Schnorchel unter dem Arm. Zwei Stunden später kommen sie triefend zurück. Das Hausriff liegt auf der anderen Seite, doch offenbar halten sie es für unzüchtig, die nassen Sachen auszuziehen und nur im Badeanzug über die Insel zu laufen.
    Dafür gibt es andere, die so etwas lieber bleiben lassen sollten. Den Tüpfelhirsch zum Beispiel, neunzehn Jahre jung, neunzig Kilo schwer, aber mit einer Vorliebe für gelbe Tangas. Zum Essen erscheint er meist in großgepunkteten Hemden mit ebensolchen Leggings.
    Neptun ist auch einer von denen, für die die Bademode der Jahrhundertwende vorteilhafter gewesen wäre als die heutigen Modelle. Daß er überhaupt eins trägt, sieht man nur von hinten, vorne hängt der Bauch drüber. Seinen Namen verdankte er einem sich täglich wiederholenden Ritual, bevor er, zwar ohne Dreizack, sonst aber einem Tiefseetaucher gleich gekleidet, ins Wasser steigt.
    Neptun kommt aus seinem Bungalow, eingezwängt in einen dunkelblauen Trockentauchanzug mit Kopfhaube, wie man ihn für winterliche Baggerseen braucht, aber nicht für achtundzwanzig Grad warmes Wasser. Mit erhobenem Finger prüft er die Windrichtung – es ist sowieso immer dieselbe –, dann setzt er sich auf die Terrasse und zieht die Flossen an. Seine Maske hat er schon auf, desgleichen

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