Muss ich denn schon wieder verreisen?
Schaden wird man klug, und Klugheit schadet nichts. Im ersten Basar, den wir zu Gesicht kriegen, werde ich mir einen anderen Koffer besorgen. Aldi wird’s hier ja wohl nicht geben.«
Vor dem Terminal parkte ein komfortabler Reisebus, konzipiert für sechzig Personen, obwohl wir mal gerade ein Drittel davon zusammenbrachten. »Wenigstens wird es keine Kämpfe um die Plätze geben«, stellte Irene mit zufriedener Miene fest. »Wir Deutsche sind doch bekannt für unsere Besitzansprüche nach der Devise: Hier habe ich schon gestern gesessen, folglich sitze ich morgen auch wieder hier! Komm, wir gehen nach hinten, da ist alles frei. Die Herde schart sich um den Leithammel.«
Das war nicht zu übersehen. Die vorderen Reihen waren ausnahmslos besetzt, die andere Hälfte des Busses war leer. Wir entschieden uns für die beiden Plätze hinter der rückwärtigen Tür, wo wir nicht nur genügend Beinfreiheit hatten, sondern auch haufenweise Platz für den ganzen Krimskrams, der sich während einer längeren Busfahrt immer ansammelt.
Und dann warteten wir – auf die Hutschachtel von Frau Terjung. Das war jene elegante Dame, die niemals ohne Hut reist und für jedes Kleid einen anderen braucht. Hüte transportiert man in einem runden Behältnis, und eben das war nicht da. Herr Terjung erwog bereits rechtliche Schritte, die aber dann doch nicht nötig waren, weil Frau Marquardt sich der Sache annahm und wenig später mit der cremefarbenen Lackschachtel zurückkam. »Man hatte sie bereits zur Gepäckaufbewahrung gebracht. Es fehlt nämlich der Anhänger.«
»Wir haben doch nur jeweils zwei Aufkleber zugeschickt bekommen«, beschwerte sich Frau Terjung.
»Normalerweise reichen die auch!«
Endlich konnte der Bus abfahren. »Es geht jetzt direkt zum Hotel, wo wir übernachten und vorher das Abendessen einnehmen werden«, teilte uns Frau Marquardt via Mikrofon mit. »Nach dem Essen sollten wir uns für eine halbe Stunde in der Bar zusammenfinden, damit wir uns ein bißchen kennenlernen können. Immerhin müssen wir zehn Tage lang miteinander auskommen.«
»Fragt sich nur, wie«, flüsterte Irene.
Tel Aviv um neun Uhr abends sieht auch nicht viel anders aus als die meisten Großstädte: Mietskasernen, Hochhäuser Geschäfte, Verkehrsampeln. Einen Unterschied allerdings gibt es – man wird zum Analphabeten! Jedenfalls war ich nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Schriftzug zu entziffern, sei es nun ein Straßenname oder die Leuchtreklame über einem Schaufenster.
»Nichts gegen die hebräische Sprache, aber könnten sie nicht endlich normale Buchstaben einführen?« Irene deutete auf die Anschlagsäule neben der roten Ampel. »Damals in Schweden konnte ich zwar auch kein Wort übersetzen, aber ich hab’ es doch zumindest lesen können!«
Der Bus hatte die Uferstraße erreicht. Rechts hörte man das Meer rauschen, links reihten sich die Hotels aneinander, manche sehr komfortabel aussehend, andere wieder etwas heruntergekommen. Unser Fahrer bog in eine Seitenstraße und hielt vor einem quadratischen Kasten.
»Blick zum Meer ist ja wohl nicht«, bedauerte meine Freundin, während uns der Fahrstuhl im dritten Stock ausspuckte. »Unser Zimmer geht nach hinten raus.
»Macht nichts, neben der Tür steht doch ein Aquarium!« Ich schloß auf und war überrascht. Das Zimmer war groß, zweckmäßig eingerichtet, jedoch nicht steril. Es wirkte sogar richtig gemütlich.
»Was ich jetzt brauche, ist eine Dusche, frische Klamotten und was zu trinken.« Irene hatte ihren Koffer schon aufs Bett gewuchtet und begann darin herumzuwühlen. »Müssen wir uns feinmachen?«
»Quatsch! Um diese Uhrzeit dürfte das Defilee im Speisesaal schon vorbei sein. Heb dir das kleine Schwarze für Jerusalem auf.«
Während sie im Bad verschwand, quälte ich mich mit dem Kofferschloß herum, und als sie frisch gewaschen und gefönt wieder zum Vorschein kam, hatte ich mir bereits zwei Nägel abgebrochen und trotzdem nichts erreicht. »Ich kriege dieses Mistding schon wieder nicht auf!«
»Setz dich mal drauf!« befahl Irene. »Manchmal brauchen gewisse Dinge Druck von oben.«
»Auf politische Kommentare kann ich verzichten. Außerdem wiegst du mehr als ich, also setzt du dich drauf!«
Auch das nützte nichts, die Sperre im Schloß bewegte sich nicht um einen Millimeter.
»Wenn’s so nicht geht, probieren wir eben eine andere Möglichkeit.« Sie drehte den Koffer herum, so daß der Deckel unten lag. »Vielleicht geht’s dann auch nicht.«
Wie
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