Muss ich denn schon wieder verreisen?
Ich heiße Christine Marquardt und bin…«
Ihre Biographie war mir nicht neu. Nicht umsonst war ich unter ihrer Ägide fünf Tage lang durch Rom getigert und hatte sie als recht patenten Menschen kennengelernt. Im Augenblick interessierten mich meine Mitreisenden viel mehr: Als erste ergriff das ältere Lodenkostüm das Wort: »Ich bin Anneliese Wolters, lebe mit meiner Schwester Waltraud in Hagen« – ein Blick schweifte zu dem neben ihr sitzenden anderen Lodenkostüm –, »zusammen sind wir schon über hundert Jahre alt« – es folgte ein schelmisches Lächeln –, »und mitgefahren sind wir eigentlich nur, weil uns diese Reisegesellschaft empfohlen wurde.«
Die nächsten waren Alberto und Elena Kaupisch, die erstaunlicherweise ebenso gut deutsch wie spanisch sprachen. Sie hatten aus welchen Gründen auch immer ein Vierteljahrhundert lang in Andalusien gelebt und waren erst vor einigen Jahren nach Frankfurt zurückgekehrt. »Ist jemand hier älter als vierundsiebzig?« Allgemeines Schweigen. »Na, dann bin ich der Senior, und meine Elena mit ihren zweiundsiebzig kommt gleich danach.« Lebhafte und nicht ganz wahrheitsgemäße Beteuerungen, daß man dieses Paar als wesentlich jünger eingeschätzt habe. »Warum wir jetzt hier in Israel sind? Natürlich wegen der biblischen Stätten. Wo sonst könnten wir das Leben und den Leidensweg unseres Herrn besser nachvollziehen als in diesem Land?«
Irene warf einen flehenden Blick zur Decke. »Das sind die ganz Frommen, die lassen bestimmt keine Kirche aus! Es werden also kaum Chancen für eine spontane Abweichung der Reiseroute bestehen«, meinte sie leise.
»Was willst du eigentlich als Grund für diesen Trip angeben? Blumenzwiebeln?«
»Bist du meschugge? Erstens stimmt das gar nicht, und zweitens würde ich damit nicht nur ins Fettnäpfchen, sondern in einen ausgewachsenen Schmalztopf treten. Und jetzt halt den Mund, wir fallen schon wieder auf!«
Der finstere Blick kam von Frau Susanne Terjung, die soeben wortreich erklärte, daß ihr Mann Harald in Bremen ein eigenes Architekturbüro besitze und ihr diese Reise zum fünfzehnten Hochzeitstag geschenkt habe. »Natürlich hätten wir auch woanders hinfahren können, aber man kennt ja schon alles. Letztes Jahr sind wir in Neuseeland gewesen, auch ein empfehlenswertes Land. Nun haben wir uns eben für Israel entschieden, schon wegen der Ausgrabungen. Mein Mann ist sehr daran interessiert, das bringt sein Beruf so mit sich.«
Am liebsten hätte ich jetzt gefragt, welche Anregungen der Herr Architekt sich denn von ein paar zerborstenen Säulen holen würde, doch dazu kam ich gar nicht. Heini hatte sich zur vollen Länge von eins siebzig erhoben. »Ja, also meine Gattin Ännchen und meine Wenigkeit haben diese Reise von unserem Sohn bekommen, weil wir im Sommer die beiden Enkelehen versorgt haben, wo doch der Bernd und die Schwiegertochter sechs Wochen lang durch Amerika gefahren sind. Sogar die Niagarafälle haben sie gesehen und Disneyland …
»Hoini, des intressiert doch koin Mensch!« sagte Ännchen. Erschrocken plumpste er auf seinen Stuhl zurück. Weshalb Globetrotter Bernd seine Eltern ausgerechnet nach Israel geschickt hatte, blieb im dunkeln.
Die beiden Yuppies, die sich als Jens und Robert vorstellten, hatten ursprünglich nach Antigua gewollt (also doch!!!), so kurzfristig aber keinen Flug mehr bekommen und sich für Israel entschieden. »Es hat sich eben so ergeben«, sagte Jens entschuldigend.
Gregor Haftl hatte ich ja schon kennengelernt. Er war Fotograf und versprach sich von der Reise in erster Linie »nicht alltägliche Bilder«, wobei ihn die kirchlichen Stätten weniger reizten. Zumindest war er ehrlich.
Uwe und Claudia, das junge Pärchen mit dem wenigen Gepäck in Form von zwei Rucksäcken, erklärten unbekümmert, sie haben dringend Urlaub nötig gehabt und ein Ziel gesucht, an dem es um diese Jahreszeit noch warm ist. Da habe sich Israel angeboten. »Und der Termin hat auch gerade gepaßt.
Gustl und Hanni Ihle, er sechsunddreißig, sie drei Jahre jünger, hatten nichts übrig für Touristenhochburgen. »In Mallorca waren wir noch nie gewesen, aber dafür sind wir mit dem Fahrrad durch Holland gestrampelt und mit einem Pferdewagen durch Schottland gezogen, und nun hoffen wir, einen kleinen Eindruck von Israel zu bekommen. Mehr kann es ja nicht werden in nur zehn Tagen«, bedauerte Gustl. »Doch wenn es uns gefällt, kommen wir wieder.«
»Dann aber allein«, ergänzte Hanni.
»Sammer
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