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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Dann bin ich erstmal mit in seine Bude, die liegt fast am Weg. Dort haben wir Tee getrunken und die halbe Nacht gelabert. Ist nämlich Quatsch, dieser ganze Konsumterror und immer bloß arbeiten und so, da hat der Bernhard ganz recht, wenn er …«
    »Wie alt sind Sie eigentlich, Claudia?« unterbrach Irene den Redeschwall.
    »Nächsten Monat werde ich zweiundzwanzig, aber mir stinkt’s jetzt schon, jeden Tag von neun bis sechs im Laden zu stehen, und hinterher ist noch immer nicht Feierabend, weil ich erst die Kämme saubermachen muß und Handtücher zusammenlegen und aufräumen …«
    »Jawohl, Ausbeutung ist das«, bekräftigte Bernhard, »reine Ausbeutung. Du hast es doch nicht nötig, dich von anderen herumkommandieren zu lassen. Freiheit von allen Zwängen ist das einzig Wahre!« Dann forderte er seine Gespielin auf, neuen Tee zu kochen.
    Zusammen mit der vierten Tasse Nana erfuhren wir, daß Bernhard neununddreißig Jahre alt (ich hätte ihn um mindestens zehn Jahre älter geschätzt) und vor drei Jahren ausgestiegen war. Erst ein bißchen relaxen in Griechenland, danach ein paar Monate Selbstbesinnung beim Guru in Indien – »hat aber nicht so richtig was gebracht« –, auf Umwegen nach Israel getrampt und hängengeblieben.
    »Wovon leben Sie denn?« fragte Irene neugierig.
    Er grinste. »Von Selim. Das ist mein Partner. Der braut die Duftwässerchen zusammen, und ich verscherbele sie. Schade, daß er nicht da ist. Er würde euch ein Parfum nach euren Wünschen mixen. Der Junge hat wirklich was drauf.«
    »Vielen Dank«, wehrte ich ab, »die Kostproben vor der Tür sind nicht so unbedingt mein Geschmack. Ich bleibe lieber bei Arpege.«
    »Ich rede doch nicht von dem Zeug da draußen«, meinte er verächtlich. »Das kauft sowieso keiner, sind ja auch nur Köder. Wir haben ganz andere Sachen. Hier zum Beispiel.«
    Aus dem hinter ihm stehenden Regal holte er ein Fläschchen mit einer hellgelben Flüssigkeit. Kaum hatte er den Stöpsel gezogen, hüllten uns Düfte ein, die ich mit tausendundeiner Kissenschlacht im Harem in Verbindung brachte.
    »Viel zu schwer.« Nach Luft japsend, drückte ich schnell den Stöpsel auf die Flasche.
    »Wie wäre es dann mit dem ›Geheimnis der Wüste‹?« Ein lila Flakon kam auf den Tisch, wurde entkorkt, etwas davon auf unsere Handgelenke getropft, und dann versuchten wir, das Geheimnis der Ingredienzen zu lüften. Dem Geruch nach mußten sie aus Sumpfpflanzen oder verwelkten Friedhofsblumen bestehen.
    »Lieber nicht, zu intensiv.«
    »Ihr müßt bedenken, daß das ja nur Essenzen sind, die man noch mit Alkohol verdünnen muß.« Ich bedachte es und lehnte trotzdem ab. Eigentlich, so erinnerte ich mich dunkel, bevor mir die nächste Odeur-Offensive die Sinne raubte, wollte ich gar nichts kaufen. Ich hatte ja nur Tee trinken wollen. Jetzt saß ich vor der fünften Tasse und vor mittlerweile elf Duftkompositionen und hatte noch immer nichts gefunden, was ich eventuell einer weniger sensiblen Nase als meiner hätte zumuten können. Nicht mal meine Putzfrau, sonst dankbare Abnehmerin sämtlicher Probierfläschchen aus Drogistenbeständen, hätte sich mit diesem Zeug beträufelt.
    »Haben Sie nicht etwas Frisches, Jugendliches?« Frau Ranitz hat zwar die Fünfzig überschritten, zieht jedoch mit Vorliebe die Klamotten ihrer sechsundzwanzigjährigen Tochter an. Beide wiegen so um die hundertfünfzig Pfund, deshalb klappt es auch problemlos mit der Größe.
    Natürlich hatte Bernhard auch etwas für jüngere Leute. Es roch sehr stark nach Orangenblüten, war jedoch nicht so widerlich süß wie das ganze andere Zeug. »Wenn Sie mir die Essenz etwas verdünnen, nehme ich ein Fläschchen.«
    »Mach ich doch glatt. Wieviel willst du denn? Einen Liter, zwei …?«
    »Soll ich drin baden?« Seit wann kauft man Parfum literweise? »Zehn, höchstens fünfzehn Kubikzentimeter sind mehr als genug.«
    »Für mich bitte auch«, bestellte Irene. »Janka liebt Parfums. Am meisten liebt sie Soir de Paris. Wenn sie gegangen ist, muß ich immer erst sämtliche Fenster aufreißen. Vielleicht kann ich sie zu Orangenblüten bekehren.«
    Die Wahrscheinlichkeit, daß unsere beiden Perlen sich jemals über den Weg laufen würden, war äußerst gering, und so hatten wir auch keine Bedenken, beiden das gleiche Präsent mitzubringen.
    Bernhards Augenmaß war nicht das beste. Was er uns nach zwanzig Minuten geheimnisvollen Wirkens hinter dem Vorhang präsentierte, waren zwei Viertelliterflaschen mit einem

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