Muss ich denn schon wieder verreisen?
ölig schimmernden Inhalt. »Ist ’n bißchen mehr geworden, aber ihr kriegt auch einen Vorzugspreis.«
Er war gar nicht so hoch, wie wir befürchtet hatten, und berücksichtigt man die elf Tassen Tee – Irene hatte noch eine sechste geschafft –, dann konnte man ihn sogar als äußerst günstig bezeichnen. Das kleine Fläschchen Lotosblüten-Extrakt, zum Freundschaftspreis von lächerlichen elf Mark, bekam ich noch als Draufgabe. Daß er genau im Verhältnis zum Rabatt mit Wasser verdünnt war, merkte ich erst zu Hause.
Mit dem Ausdruck gegenseitiger Hochachtung und dem Versprechen, über Claudias Aufenthaltsort Stillschweigen zu bewahren, sofern sie am nächsten Morgen im Hotel sein würde, trennten wir uns.
Draußen dämmerte es bereits, doch mit Hilfe des Zettels, auf dem Bernhard den kürzesten Weg zum Damaskus-Tor aufgemalt hatte, fanden wir schnell aus dem Labyrinth heraus. Auf dem Weg zum Hotel trafen wir Verena.
»Wollen Sie mal sehen, was ich auf dem Basar gekauft habe?« Aus ihrer Jutetasche zog sie eine Flasche mit einer ölig schimmernden Flüssigkeit. »Riechen Sie mal!«
Das brauchte ich gar nicht, der Inhalt war mir nur zu bekannt. »Das Zeug war doch bestimmt sehr teuer?«
»Überhaupt nicht«, meinte sie fröhlich und nannte eine Summe, die genau die Hälfte von dem betrug, was wir bezahlt hatten.
»Jetzt ist mir auch klar, wovon dieser Bernhard sein Leben fristet«, sagte Irene zähneknirschend. »Er kriegt so eine Art orientalische Gimpel-Provision als Anerkennung für seine Lockrufe, mit denen er unbedarfte Vögel wie uns ins Netz treibt.«
Nach dem Schlummertrunk in der Bar, untermalt von hebräischen Nachrichten und einer Viertelstunde indischem Liebesfilm mit arabischen Untertiteln, gingen wir schlafen.
Erst am nächsten Morgen merkten wir, daß es im Zimmer roch, als wäre die gesamte Schaufensterauslage einer Parfümerie darin zusammengebrochen. Genaugenommen roch das halbe Hotel danach. Auch unsere Mitreisenden hatten den verführerischen Düften des Orients nicht widerstehen können.
10
»Ab morgen sind wir pünktlich«, sagte ich zu Irene, nachdem wir mit der schon traditionellen Verspätung das Geschnatter am Frühstückstisch unterbrochen hatten. »Wir kriegen ja überhaupt nichts mehr mit. Wieso sind jetzt schon drei Plätze frei geblieben? Gestern war’s doch bloß einer.«
Das wußte Betti ganz genau. Hanni Ihle liege im Bett. Ein Arzt sei bereits verständigt worden. »Die hat was Falsches gegessen, ist ja ganz klar. Ihr Mann hat gesagt, daß sie in einem arabischen Restaurant gewesen seien, wo man doch bestimmt keine Hygiene kennt. Jetzt hat sie Krämpfe und kommt nicht mehr von der Toilette runter. Selber schuld, sage ich immer, Schuster bleib bei deinem Leisten. Mir könnte so etwas nie passieren, ich esse nur europäisch.« Sprach’s und schaufelte Oliven auf ihren Paprika-Quark. Emsig kauend, redete sie weiter: »Aber das mit der Claudia ist ein Skandal. Jawohl, ein Skandal ist das! Kommt sie doch vorhin an, packt ihre Tasche und sagt, daß sie nicht weiter mitfährt. Hierbleiben will sie, bis wir zurückfliegen, vielleicht auch länger, das weiß sie noch nicht genau. Der Uwe ist ganz durcheinander deswegen.«
Diesen Eindruck hatte ich allerdings nicht. Zumindest schien ihm seine abtrünnige Freundin nicht auf den Magen geschlagen zu sein. Er löffelte Müsli und trank Bier dazu.
»Ich verstehe gar nicht, wie Frau Marquardt das erlauben kann«, fuhr Betti fort. »Sie müßte doch…«
»Was hätte sie denn tun sollen? Das Mädchen ist volljährig.«
»Das ist egal, so etwas gehört sich einfach nicht. Wenn das meine Tochter wäre…«
Ich habe nie erfahren, was Betti mit ihrer Tochter gemacht hätte, wahrscheinlich entmündigen lassen. Frau Marquardt kam nämlich zur Berichterstattung, und sofort wurde es mäuschenstill.
»Unserer Patientin geht es schon etwas besser. Der Arzt war da, hat ihr eine Spritze gegeben, und Menachem holt gerade die Medikamente aus der Apotheke. Übrigens hat Frau Ihle zugegeben, trotz meiner Warnung bei einem der fliegenden Händler einen obskuren Saft getrunken zu haben. Wahrscheinlich ist das die Ursache ihrer Beschwerden. Deshalb nochmals meine Bitte: Wenn Sie sich etwas zu trinken kaufen, nehmen Sie nur verschlossene Flaschen oder Dosen, obwohl man auf letztere lieber verzichten sollte. Auch Israel hat sein Müllproblem.
Was unsere Ausreißerin betrifft, so kann ich nur sagen, daß diese Situation auch für mich völlig
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