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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Preisschild.«
    Danach hatte es ihr der Laden mit den Seidenstoffen angetan. »Sieh dir bloß diese Farben an! Wahnsinn.« Bedauerlicherweise waren die Stoffe nach überlieferten Rezepten handgefärbt und daher kostspielig. »Für den Preis kriege ich sie auch bei uns im KaDeWe«, wetterte sie, als wir das Geschäft verlassen hatten.
    »Ich habe bloß darauf gewartet, daß er uns noch erzählt, er würde die Seidenraupen selber füttern.«
    Wir hatten die Ausläufer des Basars schon erreicht, als sie abrupt anhielt. Neben einer Art Höhle stand ein Tischchen mit Flaschen, große, kleine, ganz kleine, mal rund, mal eckig, angefüllt mit bunten Flüssigkeiten. »Was ist denn das?«
    »Farben, Essenzen, Nagellack… ist doch egal. Komm weiter, da drüben gibt es lauter Pfötchen.« Sie wollte nämlich auch Fatimas glückbringende Hand haben.
    »Warte doch mal! Jetzt will ich es genau wissen.« Sie griff nach einem Flakon mit einer hellgrün schimmernden Flüssigkeit und entkorkte ihn. Sofort stieg uns ein süßlicher Geruch in die Nase. »Das ist Parfum!«
    »Nein, danke, ich stehe nicht auf Moschus.«
    »Dann vielleicht auf Rosenwasser?« Sie fischte eine rosa Flasche aus dem Sortiment und schnüffelte daran. »Riecht eigentlich mehr nach Jasmin. Probier mal!«
    Ich tat es und fand, daß das Zeug weder nach Jasmin noch nach einer anderen Blüte roch, sondern ganz einfach stank.
    »Das hier ist Rosenwasser«, sagte eine männliche Stimme in perfektem Deutsch. Hinter einem Vorhang kam erst ein Arm mit einer Flasche hervor, dann folgte der Rest. Der steckte in einem Pullover aus garantiert gewaltfrei geschorener Schafswolle, ausgeblichenen Jeans und war barfuß. Die langen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, mit dem Bart ging das wohl noch nicht, da fehlten ein paar Zentimeter.
    Verblüfft starrte ich den Späthippie an. Er mußte aus den frühen Siebzigern übriggeblieben sein. »Sind Sie Deutscher?«
    »Ja. Überrascht dich das?«
    »Ein bißchen schon. Im allgemeinen findet man die vor den Ständen und nicht dahinter. Gehört Ihnen der Laden?«
    Darüber verweigerte er die Auskunft, vielmehr lud er uns ein, näher zu treten und einen Tee mit ihm zu trinken. »Ich habe gerade frischen aufgebrüht.«
    Das Angebot klang verlockend, doch wir zögerten. Schließlich kannten wir diesen Menschen nicht, hatten keine Ahnung, was sich hinter dem schwarzen Vorhang verbarg, vielleicht eine Opiumhöhle, sofern es heutzutage noch welche gibt, und als Schlagzeile in der Bildzeitung wollte ich nun doch nicht herhalten. ›Deutsche Touristin in Jerusalem erst betäubt und dann ausgeraubt!‹ oder so ähnlich. Zu rauben würde es zwar nicht viel geben, wir hatten ja nichts dabei, und überhaupt befanden wir uns in Blickweite von Fatimas mindestens zweihundert Händen. Was sollte uns also schon passieren können?
    Der Hippie schob uns zwei Hocker hin, nahm selbst mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden Platz und eröffnete das Gespräch. »Ich heiße Bernhard und komme aus Friedrichshafen. Woher seid ihr denn?«
    Irene sagte es ihm. Ach ja, Berlin. Da sei er auch schon gewesen, zwei Semester lang, habe sogar noch Rudi Dutschke gekannt.
    »Wie kommen Sie von der Berliner Uni in den Basar von Jerusalem?«
    Das sei eine lange Geschichte, erwiderte Bernhard abwinkend, gar nicht interessant, und überhaupt müsse er jetzt den Tee holen. Er verschwand hinter dem Vorhang und kam gleich wieder zurück mit einem Tablett, auf dem vier Tassen standen. Wieso vier? Wir waren doch nur drei.
    Erneut öffnete sich der Vorhang einen Spaltbreit, und heraus trat… nein, das konnte doch nicht wahr sein!!! Unsere Goldlamé-Friseuse, eingehüllt in ein bodenlanges Gewand, ohne Schuhe, aber mit vier seltsam geschmiedeten Kettchen um den Hals. »Claudia!!! Was machen Sie denn hier?«
    Sie sah uns genauso entgeistert an wie wir sie. »Von allen Leuten, die hier rumlatschen, muß Bernhard ausgerechnet Sie anschleppen!«
    »Keine Angst, wir erzählen nichts«, versprach ich sofort. »Aber interessieren würde mich doch, was Sie hier eigentlich tun. Und weshalb diese Verkleidung? Beinahe hätte ich Sie nicht erkannt.«
    Nach der zweiten Tasse Tee wußten wir, daß sich Bernhard und Claudia in der vergangenen Nacht kennengelernt hatten, denn »der Uwe hat den ganzen Abend rumgestänkert. Da bin ich weg, hatte aber nicht genug Geld für’n Taxi, den Weg wußte ich auch nicht, also hab’ ich einfach den Bernhard angehauen, der hat da so rumgestanden.

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