Muss ich denn schon wieder verreisen?
hin.«
Die angekündigte Überraschung bestand darin, daß wir heute nicht im hoteleigenen Restaurant essen würden, sondern woanders, nämlich in einem ›echt arabischen‹, mit allem, was dazugehört. Es blieb der Fantasie jedes einzelnen überlassen, was er als dazugehörig erwartete. Mir schwanten in erster Linie niedrige Tische und Kissen auf dem Boden, woran europäische Bandscheiben nicht gewöhnt sind. »Ob wir auch mit den Fingern essen müssen?«
»Solange ich sie mir dabei nicht verbrenne, ist mir das egal«, sagte Irene. Empfehlenswert sei allerdings, alte Kleider anzuziehen.
»Wehe dir! Die kommen doch bestimmt alle wieder in Taft und Seide.«
»Laß sie doch. Wo wir sind, ist vorn. Basta!«
Bevor ich ins Bett kroch, versteckte ich die noch halbvolle Flasche hinter der Gardine. Bisher hatten wir nur den weißen Karmel-Wein getrunken, doch der war alle, und der rote schien Irene nicht zu bekommen.
Ihre Prophezeiung traf zu. Ausgeschlafen und feingemacht, versammelten wir uns in der Halle, um uns in das arabische Nachtleben zu stürzen. Das begann schon zwei Straßenecken weiter vor einem Haus, das sich von den rechts und links daneben stehenden in keiner Weise unterschied. Fachkundig musterte Robert die Fassade. »Im ersten Stock brennt rotes Licht. Wenn wir nicht Damen dabei hätten, würde ich sagen, das ist ein Puff.«
Natürlich war es kein Puff, sondern ein Restaurant, das meine Vorstellungen von arabischem Ambiente endlich erfüllte. Von der in Hufeisenform gedeckten Tafel bis zu den rings an den Wänden stehenden Plüschbänken war alles rot. Mich erinnerten sie gleich wieder an meine Großmutter väterlicherseits, die im Wohnzimmer rund um ihren Kachelofen auch solche Sitzgelegenheiten hatte. Im Sommer wurden die Bänke abgebaut, und im Winter, wenn der Ofen so richtig schön bullerte, durfte ich nie darauf sitzen, weil das angeblich ungesund und nur bei Rheuma heilsam war.
Der Wandschmuck dieses Etablissements bestand aus riesigen Bildern, aber keinen gemalten, sondern gewebten – in Fachkreisen auch Gobelins genannt. Auf einem Teppich waren bepackte Kamele zu sehen, auf einem anderen halbnackte Männer, die bis zu den Augen vermummten Tänzerinnen zuschauten. Ein drittes Bild zeigte einen knienden Araber mit halberhobenen Händen, neben sich einen liegenden Mann, wobei offenblieb, ob der nun tot war oder bloß schlief. Folglich ließ sich auch die Frage nicht beantworten, was es mit dem anderen Mann auf sich hatte.
Hatte ihn der Muezzin zum Gebet gerufen, oder hatte er gerade seinen Kumpel umgebracht?
Bei dem Gobelin an der gegenüberliegenden Wand mußte es sich um ein importiertes Kunstwerk handeln, denn Löwen und Tiger findet man in Israel normalerweise nicht.
Nachdem geklärt war, wer wo und vor allem neben wem sitzen würde, schoben wir uns der Reihe nach in die Bänke. Irene als letzte. »Bevor die weinselige Verbrüderung anfängt, können wir uns wenigstens unauffällig verdrücken.«
Da saßen wir nun wie Hühner auf der Stange und warteten auf das, was kommen würde. Es kam in Gestalt zweier fantasievoll gekleideter Kellner, die wissen wollten, was die Herrschaften zu trinken wünschten. Einhellige Antwort: »Bier!«
Nun bin ich absolut kein Biertrinker, komme bestenfalls auf zwei Liter pro Jahr, vorausgesetzt, wir haben einen warmen Sommer und schmeißen öfter mal den Gartengrill an, doch hier wurde ich einfach überstimmt. Mein Ruf nach Mineralwasser verhallte ungehört. Dabei hat mir Sascha mal erklärt, Kenner würden zu einem guten Essen niemals Alkohol trinken, denn damit würden sie den Geschmack des jeweiligen Gerichts beeinträchtigen. Als gelernter Restaurantfachmann muß er das schließlich wissen.
»Aber wann trinkt man denn die sündhaft teuren Weine, die ihr immer auf eurer Karte habt?« hatte ich ihn gefragt.
»Zwischen den einzelnen Gängen.«
Wahrscheinlich trifft diese Regel nur auf jene Gourmet-Tempel zu, in denen man drei Stunden beim Essen sitzt und hinterher ebenso viele Hundertmarkscheine auf den Tisch legt – ohne Getränke und ohne Trinkgeld.
Zurück zum arabischen Abend. Die Getränkefrage war also geklärt, um die Zusammenstellung eines Menüs brauchten wir uns nicht zu kümmern, das hatte Menachem schon gestern abgeklärt. So bekamen wir statt Schafsaugen und Stierhoden (nachzulesen bei Karl May!) ein ganz normales Essen mit Lamm und diversen Gemüsen, ein bißchen schärfer gewürzt als üblich, doch als typisch arabisch hätte ich es
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