Muss ich denn schon wieder verreisen?
mehr.
»Vielleicht ein Konzertabend?« Frau Terjung hatte sich ohnehin schon beklagt, daß der kulturelle Aspekt zu kurz käme. Das philharmonische Orchester von Jerusalem genieße doch einen ausgezeichneten Ruf.
»Dann schon lieber Bauchtänzerinnen«, feixte Robert. »Die sind auch Kultur.«
Nachdem wir vom Fackelzug über den Ölberg bis zum nächtlichen Bad im Jordan alle Möglichkeiten durchgespielt hatten, kam das Essen – und danach die große Müdigkeit, die nicht mal der Kaffee vertreiben konnte, den auch ich bestellt hatte, obwohl er mir noch immer nicht schmeckte.
Bevor wir endgültig einschliefen, rief Frau Marquardt zum Aufbruch. Alberto mußte erst geweckt werden und murmelte, noch im Halbschlaf, er habe schon genug Ruinen gesehen, und die in Spanien seien sowieso viel schöner. Wo denn, bitte sehr, die nächste Kirche stehe, da sei es wenigstens kühl.
Die Sonne knallte erbarmungslos vom Himmel, als wir uns wieder auf den Weg machten. Stadtauswärts natürlich, rein durften wir ja nicht. Zum Glück liegt der anvisierte Palast außerhalb. Auf einem Berg. Sehr hoch ist er nicht, doch bei achtundzwanzig Grad erscheint einem jeder Hügel wie der Mont Blanc.
»… Viel Steine gab’s und wenig Brot«, rezitierte Anneliese mal wieder, während wir aufwärts stapften und ich mir überlegte, aus welchem Gedicht das wohl stammte. »Ha ’m wir das nicht auch mal gelernt, Irene?«
»Als Kaiser Rotbart lobesam ins heil’ge Land gezogen kam …«, begann sie, wurde jedoch sofort von Anneliese unterbrochen. »Richtig! Ich habe nur den Anfang nicht mehr gewußt.«
Als wir endlich oben waren, hatte sie gerade mit der letzten Strophe angefangen. Die mußten wir uns noch anhören, dann durfte Menachem weitermachen. »Dieser Palast wurde von Herodes als Sommersitz erbaut, während die berühmten Winterpaläste der Omajjaden, die wir leider nicht besuchen können, erst siebenhundert Jahre später entstanden sind, also zur Zeit von Kalif Hisham Ibn Abd el-Malik. Die Überreste sind ein Zeugnis der hohen Kultur …«
»Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Radschi Dawuhd al Gossara.«
Irene hatte entschieden zuviel Sonne abgekriegt. Unauffällig zog ich sie zur Seite. »Komm, wir setzen uns rüber in den Schatten. Ich weiß zwar nicht, wie sich ein Sonnenstich auswirkt, aber mir scheint, du hast einen!«
»Quatsch! Ich habe bloß wissen wollen, ob ich diesen blöden Namen noch runterleiern kann. Weißt du nicht mehr, wie wir ihn damals so lange geübt haben, bis wir ihn im Schlaf konnten?«
Schon wieder Karl May! »In Jericho ist der aber nie gewesen.«
»Der ist überhaupt nirgendwo gewesen.«
»Ich rede nicht von Karl May, sondern von Hadschi Halef Omar.«
»Der auch nicht.«
Du liebe Zeit, meine normalerweise recht standfeste Freundin würde doch wohl nicht von dem einen Glas Karmel-Wein beschwipst sein? Aber ich hatte sie ja gewarnt. No alcohol before sundown! Alte Tropenweisheit. »Du blamierst die ganze Innung!«
»Wieso denn? Die lauschen doch alle andächtig, was Kalif Hashim Ibn – wie hieß der Kerl? Na ja, was der hier alles gebaut hat. Sogar ein Badehaus. Schade, daß das auch kaputt ist. Ein paar Runden durch den Pool wären jetzt genau das richtige!«
Menachem hatte seinen Vortrag beendet, und der Troß zog weiter, um nunmehr die Einzelheiten zu besichtigen. Zum Beispiel die Mauern mit den erstaunlich gut erhaltenen Säulen und die Ornamente, vor fünfzig Jahren aus dem Sand gebuddelt und später so hingestellt, daß man sie gut fotografieren kann. Wie groß der Palast einmal gewesen ist, läßt sich nur erahnen. Wenigstens gab es damals keinen Dienstbotenmangel, zumal Herodes doch wohl Sklaven gehabt hatte, die abgesehen vom Anschaffungspreis – auf Dauer recht kostengünstig gewesen waren und auch noch keine Sozialversicherung gebraucht hatten.
Nach dem obligatorischen Gruppenfoto stiefelten wir wieder abwärts. Schnell noch ein Glas Saft, nein, besser zwei, Und dann ab in den Bus. Diesmal blieben wir nicht im Sand stecken, was auch zwecklos gewesen wäre, denn zum Anschieben hätte Shimon niemanden wach bekommen. Alles schlief.
Es war kurz vor fünf, als wir in Jerusalem eintrafen, doch selbst Irene äußerte mit keinem Wort den Wunsch, ein letztes Mal durch die Stadt zu bummeln. »Ich hau’ mich jetzt aufs Ohr.«
»Ich auch. Schließlich muß ich für die orientalische Nacht Kräfte sammeln.«
»Abend, mein liebes Kind, nur Abend. Gib dich also keinen falschen Hoffnungen
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