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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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schrubbte und schrubbte, bis mir die Finger bluteten. Es war mir in dem Moment egal, ob ich verreckte.
    Ich hielt es in Mutters Haus nicht mehr aus. Ich wünschte mir, dass es mir irgendwie gelingen würde, dem Ort, den ich jetzt »Irrenhaus«
    nannte, zu entfliehen.
    Einmal ließ mich Mutter, als Vater weg war, zehn Tage hintereinander hungern. Ganz gleich, wie ich mich abmühte, ihre Zeitvorgaben einzuhalten, ich schaffte es nicht. Und die Folge war Essensentzug.
    Mutter achtete akribisch darauf, dass ich kein Essen ergattern konnte.
    61

    Sie räumte den Abendbrottisch selbst ab und warf die Essensreste in den Müllschlucker. Sie überprüfte jeden Tag den Mülleimer, ehe ich ihn leerte. Sie schloss die Kühltruhe in der Garage ab und trug den Schlüssel bei sich. Ich war daran gewöhnt, bis zu drei Tage hintereinander zu hungern, aber diese lange Fastenzeit war unerträglich. Wasser war das einzige Mittel, das ich hatte, um über die Runden zu kommen.
    Wenn ich den metallenen Eiswürfelbehälter aus dem Kühlschrank mit Wasser füllte, hielt ich die Ecke des Behälters an den Mund und benetz-te mir die Lippen. In der Garage schlich ich zum Ausguss und drehte den Wasserhahn auf. Ich betete, dass die Wasserleitung nicht vibrieren und Mutter alarmieren würde, und lutschte an dem kalten Metall des Wasserhahns, bis mein Magen so voll war, dass ich dachte, er würde platzen.
    Am sechsten Tag war ich so schwach, dass ich kaum aufstehen konnte, als ich auf meinem Feldbett erwachte. Ich erledigte meine Hausarbeit im Schneckentempo, da ich ganz benommen war und nicht mehr klar denken konnte. Ich brauchte Minuten, um die Sätze, die mir Mutter an den Kopf warf, zu verstehen. Als ich mit Mühe den Kopf hob, um zu Mutter aufzublicken, erkannte ich, dass es ein Spiel für sie war - ein Spiel, das sie ausgiebig genoss.
    »Oh, mein armer Kleiner«, säuselte Mutter sarkastisch. Dann fragte sie mich, wie es mir ginge, und lachte, als ich um Nahrung bettelte. Am Ende des sechsten Tages und an allen darauf folgenden Tagen hoffte ich von ganzem Herzen, dass Mutter mir etwas, irgendetwas zu essen geben würde. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem es mir egal war, um was es sich handelte.
    Gegen Ende ihres »Spiels« knallte mir Mutter eines Abends einen Teller mit Essensresten vor die Nase. Die kalten Reste waren in meinen Augen ein Festschmaus. Doch ich war auf der Hut. Es war zu gut, um wahr zu sein. »Zwei Minuten!«, bellte Mutter. »Du hast zwei Minuten Zeit zum Essen. Das ist alles.«
    Wie der Blitz griff ich nach der Gabel, aber in dem Augenblick, als ich die Gabel zum Mund führte, riss Mutter mir den Teller weg und leerte ihn in den Müllschlucker. »Zu spät!«, keifte sie.
    Ich war wie gelähmt. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Alles, was mir in den Sinn kam, war: »Warum?« Ich konnte nicht verstehen, warum sie mich auf diese Weise behandelte. Ich war so nahe daran gewesen, dass mir der Duft des Essens die Nase gekitzelt 62

    hatte. Ich wusste, dass sie wollte, dass ich klein beigebe, aber ich blieb standhaft und hielt meine Tränen zurück.
    Als ich mich wieder in meinem einsamen Gefängnis befand, hatte ich das Gefühl, die Kontrolle über alles zu verlieren. Ich hatte Heißhunger. Ich sehnte mich nach meinem Vater. Doch mehr als alles andere wünschte ich mir nur einen Hauch Respekt, ein kleines bisschen Wür-de. Ich saß auf meinen Händen da und konnte hören, wie meine Brüder den Kühlschrank öffneten, um sich ein Dessert zu holen, und hasste es.
    Ich blickte an mir herunter. Meine Haut hatte eine gelbliche Farbe und mein Körper war ausgezehrt. Wann immer ich einen meiner Brüder über einen Witz in irgendeiner TV-Show lachen hörte, fluchte ich.
    »Diese Schweinehunde! Die wissen ja gar nicht, was für ein Glück sie haben! Warum verprügelt sie zur Abwechslung nicht mal einen von denen?«, dachte ich. Ich weinte in mich hinein, während der Hass in mir nagte.
    Fast zehn Tage lang hatte ich nichts zu essen bekommen. Ich hatte gerade das Geschirr vom Abendessen abgewaschen, als Mutter ihr Spiel
    »Du hast zwei Minuten Zeit zum Essen« wieder mit mir spielte. Es lagen nur ein paar Bissen auf dem Teller. Ich ahnte, dass sie mir den Teller wie an den drei vorhergehenden Abenden wieder entreißen würde. Also handelte ich schnell. Ich gab Mutter keine Chance, mich wieder leer ausgehen zu lassen, und schluckte die Bissen, ohne zu kauen, hinunter. Binnen Sekunden hatte ich den Teller leergefegt und

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