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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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Teil des Problems ansah. Ich glaube, dass er mich für einen Verräter hielt. Viele Male, wenn die Hexe und Vater in heftige Streits verwickelt waren, bezog Mutter mich ein. Wo ich auch gerade war, sie zerrte mich herbei und verlangte, dass ich jedes böse Wort, das Vater in ihren früheren Streits benutzt hatte, wiederholte. Ich wusste ganz genau, was für ein Spiel sie trieb, aber es fiel mir nicht schwer, mich zwischen meinen Eltern zu entscheiden. Mutters Rache war viel schlimmer für mich. Ich nickte immer und flüsterte, was sie hören wollte. Sie brüllte dann, dass ich die Worte in Dads Gegenwart wiederholen sollte. Die meiste Zeit zwang sie mich, Wörter zu erfinden, wenn ich mich nicht erinnern konnte. Das lastete schwer auf der Seele, weil ich wusste, dass ich in dem Bemühen, Schlägen vorzubeugen, denjenigen, der mir oft Nahrung verschaffte, vor den Kopf stieß. Anfangs versuchte ich, Vater zu erklären, warum ich gelogen und mich gegen ihn gestellt hatte.
    Zuerst hatte er Verständnis, aber letzten Endes verlor er das Vertrauen in mich. Anstatt ihn zu bedauern, hasste ich ihn nur noch mehr.
    Die Jungen, die oben in ihrem Kinderzimmer logierten, waren nicht mehr meine Brüder. In den vergangenen Jahren hatten sie mir mitunter etwas zur Seite gestanden. Doch im Sommer 1972 wechselten sie sich darin ab, mich zu verprügeln, und schienen es zu genießen, sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich zu werfen. Es war offensichtlich, dass sie sich als etwas Besseres fühlten als der Familiensklave. Wenn sie auf mich zukamen, wurde mein Herz so hart wie Stein, und ich bin sicher, dass mein Gesicht den Hass widerspiegelte, den ich für sie empfand.
    Ich verschaffte mir gelegentlich Genugtuung, indem ich das Wort
    »Arschloch« in mich hineinbrummte, wenn einer von ihnen an mir vorbeischlenderte. Ich achtete jedoch darauf, dass sie mich nicht hörten.
    Ich fing an, die Nachbarn, meine Verwandten und alle anderen zu verachten, die mir je begegnet waren und von meinen Lebensumständen erfahren hatten. Hass war alles, was mir blieb.
    In den tiefsten Tiefen meiner Seele hasste ich mich selbst mehr als alles andere. Ich gelangte zu der Überzeugung, dass alles, das mir oder 78

    um mich herum passierte, meine Schuld war, weil ich es so lange zu-gelassen hatte. Ich wollte das, was andere hatten, aber ich sah keine Möglichkeit, es zu bekommen. Und so hasste ich sie dafür, dass sie es hatten. Ich wollte stark sein, aber im Grunde meines Herzens wusste ich, dass ich ein Schwächling war. Da ich nie den Mut hatte, mich der Hexe entgegenzustellen, war ich der Meinung, dass ich verdiente, was immer mit mir geschah. Jahrelang hatte Mutter mich Gehirnwäschen unterzogen und mich gezwungen, laut herauszuschreien: »Ich hasse mich! Ich hasse mich!« Ihre Bemühungen waren von Erfolg gekrönt.
    Ein paar Wochen, bevor ich in die fünfte Klasse kam, hasste ich mich so sehr, dass ich mir wünschte, ich wäre tot.
    Die Schule hatte nicht mehr den Reiz für mich, den ich vor Jahren empfunden hatte. Ich gab mir alle Mühe, mich auf meine Schularbeiten zu konzentrieren, aber meine aufgestaute Wut entlud sich oft zur falschen Zeit. An einem Freitagnachmittag im Winter 1973 stürmte ich ohne ersichtlichen Grund aus dem Klassenzimmer und schrie auf meiner Flucht alle an. Ich knallte die Tür so fest zu, dass ich dachte, die Glasscheibe über der Tür würde entzweibrechen. Ich rannte ins Jungenklo und schlug mit meinen winzigen roten Fäusten auf den gefliesten Boden ein, bis ich keine Kraft mehr hatte. Danach brach ich zusammen und betete um ein Wunder. Es geschah nie.
    Die Zeit, die ich außerhalb des Klassenzimmers verbrachte, war nur wenig besser als in Mutters »Hölle«. Da ich in der ganzen Schule ein Geächteter war, machten meine Klassenkameraden zuzeiten da weiter, wo Mutter aufgehört hatte. Einer von meinen Folterern war Clifford, der Schulhofschreck; er fing mich manchmal ab, wenn ich nach der Schule nach Hause rannte. Mich zu verprügeln, war Cliffords Art, sich bei seinen Freunden wichtig zu machen. Alles, was ich tun konnte, war, mich auf den Boden fallen zu lassen und die Hände über den Kopf zu halten, während Clifford und die Mitglieder seiner Bande abwechselnd auf mich einschlugen.
    Aggie war ein Quälgeist der anderen Art. Es gelang ihr, immer neue Methoden zu ersinnen, um mir zu vermitteln, wie sehr sie sich wünschte, dass ich einfach »tot umfallen« würde. Aggie war ein absoluter Snob. Sie war ständig darauf

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