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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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jegliches materialistische Streben abgewöhnt, sei übernatürlich erwachsen, habe keine äußere Vergegenständlichung des Selbst nötig. »Das schlimmste sind die Augen«, sagt Margot über die Apartments eines bestimmten Typs von alleinlebenden Frauen in New York. »Man kommt rein, und überall sind Augen, zu Hunderten. All diese kleinen Dingelchen mit Gesichtern. Puppen. Figürchen. Augen.
    Souvenirs.«
    Während sie wartet, daß das Wasser kocht, guckt sie hinüber
    ins große Zimmer und sieht die augenlosen Robotergirls. Keine Fliegen hier bei Damien. Er hat seine Innenausstatter am Aus-statten gehindert, und das Ergebnis ist eine semiotische Neutra-lität, die Cayce immer mehr zu schätzen weiß, je länger sie hier ist. Ihre eigene Wohnung in New York ist eine weißgetünchte Höhle, worin sich die Selbstvergegenständlichung praktisch schon erschöpft. Die unebenen Mietshausböden sind in einem
    Blau gestrichen, das sie in Nordspanien entdeckt hat. Eine
    uralte Farbe, auf Arsenbasis. Die Bauern dort haben seit Jahr-hunderten ihre Innenwände damit getüncht, angeblich hält die Farbe die Fliegen fern. Cayce hat sie sich in arsenfreiem Kunst-stofflack nachmischen lassen, nach einem Polaroid. Wie der Lack der Bar in der Camden High Street versiegelt die Farbe die splittrigen Stellen. Textur. Sie mag erworbene Texturen, Spuren langen Bewohntseins, aber nicht zu persönlich.
    Der Kessel pfeift. Sie macht sich einen Becher kolumbiani—
    schen Kaffee und nimmt ihn mit an den Cube. Das F:F:F ist
    geöffnet, und sie springt in den Postings hin und her, um ein Gefühl dafür zu kriegen, was läuft. Nicht viel, außer der immer noch andauernden Analyse von #135, was normal ist, und der Diskussion über diese brasilianische Vatikan-Geschichte.
    Maurice macht interessanterweise darauf aufmerksam, daß
    offenbar sowohl die Story als auch die angebliche päpstliche Intervention aus Brasilien kommen und es bislang noch keine unabhängige Bestätigung von anderer Seite gibt. Ist es wahr?
    fragt er sich. Ist es ein Hoax?
    Cayce runzelt die Stirn. Magdas Story. Vor dem betreffenden
    Abendeinsatz hatte man ihnen zunächst #135 vorgeführt.
    Anschließend dann ein kurzes Briefing: Es handle sich offenbar um ein Film-Feature, irgendwie hochinteressant, faszinierend, und ob der Gesprächspartner schon davon gehört habe? Hinterher wollte Trans Rückmeldung, wie die Reaktionen waren, was bisher in diesem Job noch nie von ihr verlangt worden war.
    Wo man sie hingeschickt habe, um diese Information zu
    verbreiten, wollte Cayce wissen. In einen Privatclub, in Covent Garden, Medienleute. Ein Mitglied, mit dem sie nach dem Briefing bekannt gemacht worden sei, habe sie dort eingeführt und alles weitere dann ihr überlassen.
    Trans. Blue Ant. Bigend.
    Und morgen trifft sie sich wieder mit Stonestreet. Und Dorotea.
     
    10 JACK-MOVES,
    JANE-FACES
     
    Sie ist reif für einen Jack-Move.
    Denkt sie im Pilates-Studio in Neal’s Yard, während sie die
    kurze Wirbelsäulendehnung macht, die bloßen Füße in Leder—
    schlaufen, die noch nicht weichgewalkt sind. So neu ist der
    Laden hier. Die sollten sich mal ein bißchen Nerzöl besorgen.
    Diese Dinger scheuern ihr ja die Fußsohlen wund.
    Sie war sich nie ganz sicher, was Donny mit einem Jack-Move meinte, aber er sprach immer davon, wenn er wütend oder frustriert war, und sie ist im Moment beides. Dorotea macht krumme Sachen, und sie unternimmt nichts dagegen. Sie könnte es Bernard oder Bigend sagen, aber sie traut ihnen nicht über den Weg. Sie hat keine Ahnung, was bei Bigend läuft, wozu er fähig ist. Das vernünftigste wäre, den Job zu Ende zu bringen, das Geld einzusacken und das Ganze als Erfahrung zu verbuchen.
    Aber dann wäre da immer noch Dorotea. Dorotea mit den
    beängstigenden Verbindungen. Dorotea, diese durchgeknallte
    Zicke, die solche Sachen einfach nur tut, weil sie nun mal beschlossen hat, Cayce zu hassen, oder weil sie – Bigends Theorie – glaubt, daß Cayce das Londoner Blue-Ant-Büro übernehmen soll. Oder vielleicht gehört sie ja auch zu Bigends Freundinnen-Pool. Alles gleichermaßen möglich, aber ein kleiner, harter Knoten ganz tief drinnen in Cayce erhitzt sich immer weiter, der Kernschmelze entgegen: das Loch in der Buzz Rickson, die Invasion der Asien-Girls, ihre sich anbahnende Periode, am liebsten würde sie Dorotea am Hals packen und sie schütteln, bis ihr Gehirn rasselt.
    Jack-Moves. Der Kontext, damals mit Donny, schien darauf hinzudeuten, daß

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