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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Cayce hatte sich eine Ausrede einfallen lassen, das Pub verlassen, eine Telefon-karte gekauft und sich angestellt. Und jetzt sieht es so aus, als ob Magda tatsächlich von einer Unterfirma von Blue Ant dafür eingesetzt wird, Interesse für die Clips zu schüren. Was treibt Bigend?
    Sie durchquert den Kreuzzüglerstrom, schafft es ans andere
    Ufer und geht wieder zurück, Richtung Parkway. Diese Kids,
    die die ganze Straße überfluten, kommen ihr seltsam fern vor, als wären sie selber ein Clip.
    Ein Hauch von Herbst liegt in der Luft, und sie fragt sich, wo sie diesen Winter sein wird. Hier? In New York? Sie weiß es nicht. Was heißt das, mit über dreißig nicht zu wissen, wo man in ein, zwei Monaten sein wird? Ist das gut? Sie weiß es nicht.
    Jetzt ist sie da, wo der Kreuzzüglerstrom einen Kiosk um—
    fließt, Treffpunkt der einheimischen Alkoholiker. Die sind der Grund, warum Damien sich hier überhaupt eine Mietwohnung leisten konnte, lange bevor er irgendwelches Geld hatte, ge—schweige denn genug, um das Haus zu kaufen. Irgendwo in der
    Nähe ist ein viktorianisches Nachtasyl, ein riesiger Backsteinka-sten von Obdachlosenunterkunft, ein häßlicher Zweckbau, und die Bewohner haben, bei aller Fluktuation, wohl schon seit dem Eröffnungstag die Angewohnheit, sich auf der High Street zu versammeln. Damien hat ihr das Haus einmal in einer Voll—mondnacht gezeigt, bei einem Spaziergang. Es stehe hier als
    Bollwerk gegen die Luxussanierung, erklärte er. Wenn die
    Leute, die auf der Suche nach einem ausbaubaren Dachgeschoß
    seien, die Heimbewohner sähen, diese ausschließlich dem steten Konsum alkoholangereicherten Biers und Apfelweins dienen-den Einheiten, machten sie kehrt. Diese Verteidiger des Viertels also standen jetzt trinkend inmitten des Kinderkreuzzugs, Felsen in einer Brandung von Jugend.
    Überwiegend ein friedliches Völkchen, die Säufer von Camden, solange sie nicht gerade von ihren Geistern besessen sind, aber jetzt guckt einer her, der vielleicht etwas jünger ist als die anderen, guckt sie an aus der Tiefe seines Elends, mit lodernden Augen, acetylenblau und alterslos, und ihr läuft es kalt den Rücken runter, schnell geht sie weiter, fragt sich, was er da gesehen hat.
    In der Aberdeen lassen die Marktleute frühzeitig die grünge—strichenen Rolladen vor ihren Ständen herunter, und in dem
    Lokal, wo sie gefrühstückt hat, herrscht jetzt der totale Bistrobe-trieb: lachende, trinkende Kids schwappen auf den Gehweg.
    Sie geht weiter, fühlt sich nicht als Ausländerin, sondern als Fremde, dazu gemacht durch diese letzte Manifestation von etwas, das alles zu infizieren scheint. Hubertus und Trans …
     
    Du bombardierst mich ja nicht gerade mit Rück—
    mails. Was treibst du überhaupt da drüben?
    Weißt du schon, daß der Papst ein Cliphead
    ist? Na ja, vielleicht nicht der Papst selber!
    aber jemand im Vatikan guckt die Clips. Offenbar gibt es unten in Brasilien, wo die Leute sowieso nicht groß zwischen Fernsehen, Netz
    und anderem unterscheiden, eine Art Kult um
    die Clips. Oder besser, nicht um die Clips,
    sondern um den dringenden Wunsch, sie zu
    verbrennen, da dieses analphabetische, aber
    massenhaft Videos konsumierende Volk niemand
    anders als den Teufel für unseren Filmemacher
    hält. Sehr bizarr, und es gab anscheinend eine
    an diese Brasilianer gerichtete Erklärung aus
    Rom, des Inhalts, daß es ausschließlich Sache
    des Vatikans sei, darüber zu befinden, was
    Satanswerk sei und was nicht, daß die Angelegenheit mit den Clips geprüft werde und sie solange gefälligst nicht an dieses Monopol
    rühren sollten. Bloß schade, daß ich da nicht
    selber drauf gekommen bin, einfach um La Anarchia zu ärgern.
     
    Sie schließt Parkaboys letzte Mail, steht auf und geht in die gelbe Küche. Setzt Wasser auf. Kaffee oder Tee? »Ich hasse die Verhäuslichung«, hat ihr Donny einmal gestanden, soweit er überhaupt dazu fähig war, irgendwas zu gestehen. Sie fragt sich, ob sie sich vielleicht in der Wohnung eines abwesenden Freundes in London leichter tut als in ihrer eigenen Wohnung drüben in New York, die sich durch die größtmögliche Freiheit von extrinsischen Objekten jedweder Art auszeichnet. Und warum?
    Haßt sie die Verhäuslichung? Ihre Freundin Margot sagt, Cayce habe weniger Dinge in ihrer Wohnung als sonst jemand.
    Dinge, die ihr gehören, empfindet sie irgendwie als Belastung. Dinge von anderen Leuten belasten sie nicht in dieser Weise. Margot meint, Cayce habe sich

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