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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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skeptisch. »Gucken
    Film? Nein!«
    »Stimmt«, sagt Cayce, »aber es funktioniert trotzdem. Sie
    kaufen nicht das Produkt: Sie geben die Information weiter. Sie benutzen sie, um den nächsten Menschen, den sie treffen, zu beeindrucken.«
    »Das ist wirksame Art, Information zu verbreiten? Ich glaube nicht.«
    »Doch«, sagt Cayce. »Es ist eine Art Virus-Modell. ›Deep Ni—che‹. Die Lokale werden sorgfältig ausgesucht –«
    »Verdammt gut! Das ist ja der Reiz, ich bin jeden Abend in
    diesen total angesagten Läden, kriege Geld fürs Taxi, für Essen und Trinken.« Sie nimmt einen großen Schluck Bier. »Aber es macht etwas Komisches mit mir. Sagen wir mal, ich bin privat aus, mit Freunden oder so, außerhalb der Arbeit, und ich lerne jemanden kennen, und wir reden, und derjenige erwähnt irgendwas.«
    »Und?«
    »Etwas, was er toll findet. Einen Film. Einen Designer. Und
    irgendwas in mir macht einfach zu.« Sie sieht Cayce an. »Ver-stehst du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.«
    »Ich entwerte etwas. Bei anderen. Bei mir selbst. Und so
    langsam traue ich nicht mal mehr der harmlosesten Unterhaltung.« Magda sieht düster drein. »Und welche Art Werbung machst du?«
    »Ich berate in Design-Fragen.« Und dann, weil das nicht gerade der animierendste Gesprächsstoff ist: »Und ich bin ›Coolhunter‹, obwohl ich es ungern so nenne. Hersteller benutzen mich, um auf dem laufenden zu bleiben, was auf der Straße als ›cool‹ gilt.«
    Magdas Augenbrauen heben sich. »Und dir gefallen meine
    Hüte?«
    »Sie gefallen mir wirklich, Magda. Ich würde sie tragen, wenn ich Hüte tragen würde.«
    Magda nickt, jetzt freudig erregt.
    »Aber ›Coolsein‹ – ich weiß übrigens auch nicht, weshalb
    sich gerade dieses altmodische Wort dafür eingebürgert hat – ist keine inhärente Eigenschaft. Es ist, wie wenn ein Baum um-stürzt, im Wald.«
    »Es ist morsch«, erklärt Voytek ernst.
    »Was ich meine, ist: keine Kunden, kein Cool-Status. Es geht um ein Verhaltensmuster einer bestimmten Gruppe in bezug auf bestimmte Dinge. Was ich mache, ist Mustererkennung. Ich versuche, ein Muster zu erkennen, ehe jemand anders es tut.«
    »Und dann?«
    »Weise ich einen Vermarkter darauf hin.«
    »Und?«
    »Dann wird es zum Produkt gemacht. Zu verkäuflichen Einheiten. Vermarktet.« Sie trinkt einen Schluck Lager. Sieht sich im Pub um. Das Völkchen hier drin ist nicht vom Kinderkreuzzug. Vermutlich Leute, die in der Nähe wohnen, in dem Viertel auf dieser Seite der Straße, das nicht so durchsaniert ist wie Damiens Gegend. Das Holz der Bar ist abgewetzt wie bei alten Booten, besteht praktisch nur noch aus Splittern, die von tausend Schichten sargfarbenen Lacks zusammengehalten werden.
    »Das heißt«, sagt Magda, »sie benutzen mich, um ein Muster
    zu etablieren? Um das künstlich herbeizuführen? Einen Teil des Prozesses zu überspringen?«
    »Ja«, sagt Cayce.
    »Warum versuchen sie das dann mit diesen verflixten Videoclips aus dem Internet? Dieses Paar, das sich in einem Eingang küßt. Ist das ein Produkt? Sie sagen es uns nicht mal.«
    Und da kann Cayce sie nur noch anstarren.
     
    »Helena. Hier Cayce. Danke für das Essen. Es war köstlich.«
    »Wie war’s mit Hubertus? Bernard hat schon gedacht, der ist
    vielleicht scharf auf Sie, mal ganz direkt gesagt.«
    »Ich bin sehr für Direktheit, Helena, aber ich glaube nicht, daß dem so ist. Wir waren noch was trinken. Ich hatte ja vorher noch nie richtig mit ihm geredet.«
    »Und? Ist er nicht brillant?« Etwas in ihrer Stimme. Resignation?
    »Ja. Ist Bernard da, Helena? Ich störe ihn wirklich ungern,
    aber ich habe eine Frage wegen der Arbeit.«
    »Tut mir leid, er ist nicht da. Kann ich ihm etwas ausrich—
    ten?«
    »Wissen Sie, ob es einen Ableger, irgendeine Unterfirma von
    Blue Ant gibt, die sich Trans nennt? Wie in Transport? Oder
    Transmission?«
    Schweigen. »Ja. Die gibt es. Wird von Laura Dawes-Trumbull
    geleitet. Laura lebt mit einem Vetter von Bernard zusammen.
    Im Rasensektor.«
    »Bitte?« Eine Adresse?
    »Der Vetter. Im Rasensektor. Rasenpflege, Rasenpflegepro—
    dukte. Aber Laura leitet Trans, das weiß ich. Eins von Hubertus’
    Lieblingsprojekten.«
    »Danke, Helena. Bin leider in Eile.«
    »Wiederhören, Cayce.«
    »Wiederhören.«
    Cayce zieht ihre Karte aus dem Kartentelefon und hängt ein.
    Sofort übernimmt ein Kreuzzügler mit Dreadlocks, der hinter
    ihr auf dem Bürgersteig gewartet hat, den Hörer.
    Die Sonne ist jetzt nicht mehr so angenehm.

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