Mutiert
halten gegen jede Vernunft an ihrem zentralistischen Versorgungssystem fest.«
» Also haben wir noch 231 Infizierte, ansonsten ist das Virus nirgends mehr aufgetreten.«
» Zwei bis drei Neuzugänge pro Tag im Schnitt und viermal so viele Abgänge werden aus Urucará berichtet.«
» Fassen Sie alles übersichtlich zusammen, der Direktor braucht die Daten für eine Pressemitteilung. Heute Mittag wird es hier von Journalisten nur so wimmeln.«
» Ich tue, was ich kann«, entgegnete der Mitarbeiter.
Sein Vorgesetzter wandte sich zum Gehen, doch dann drehte er sich noch einmal um.
» Bevor ich es vergesse, das Hyperimmunserum ist weitestgehend wirkungslos, wenn ich den letzten Berichten trauen kann.«
Der Mitarbeiter nickte. » Bei den längerfristig Infizierten sind keine positiven Reaktionen zu beobachten, und bei dieser Art der Anwendung wird sich damit auch kein anderes Ergebnis erzielen lassen. Bei Neuinfizierten hingegen ist ein schwächerer Verlauf der Infektion dokumentiert worden, doch die Mortalitätsrate bleibt unverändert.«
» Wie viele haben nach dem bisherigen Erkenntnisstand die Infektion überlebt?«
» Moment, ich habe die Auswertung hier. Sieben bislang, die Letalitätsrate liegt bei 99 , 8 Prozent. Das ist das tödlichste Virus, das uns bis heute unter das Mikroskop gekommen ist.«
» Wir können froh sein, dass der Übertragungsweg über das Blut führt. Wenn sich das Virus durch Tröpfcheninfektion über die Luft verbreitet hätte, dann wären jetzt ganze Landstriche entvölkert.«
Der Kollege lächelte. » Früher dachte ich einmal, dass es ein Atomkrieg sein wird, der die Menschheit vom Antlitz dieses Planeten tilgt. Heute spricht man über die Klimakatastrophe, aber seit ich hier arbeite, bin ich mir ziemlich sicher, dass es einmal eine Pandemie sein wird, an der wir alle sterben. Und wir werden unseren Feind nie zu Gesicht bekommen. Das Jatapu-Virus war schon ein verdammt gefährlicher Spielgefährte, aber es wird eines Tages einen Virustyp geben, gegen den Jatapu ein kleines Kaliber ist.«
» Solange sich die Menschheit immer weiter in Gebiete vorwagt, in denen sie nichts zu suchen hat und die wir der Natur überlassen sollten, fürchte ich, haben Sie recht«, entgegnete der Leiter des Strategic Health Operations Center. » Also, den Bericht bis zwölf Uhr, ich verlasse mich darauf.«
» Geht in Ordnung, der Bericht wird rechtzeitig auf Ihrem Schreibtisch liegen.«
Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
Tenente Falcáo manikürte mit einem Taschenmesser seine Fingernägel und saß locker auf dem Schreibtisch. Er hatte die Durchsuchungsaktion in der Wohnung des Arztes geleitet, doch dort hatten sie nichts gefunden, was für den Fall von Belang gewesen wäre.
Zagallo hingegen hatte zwei Waschkörbe voller Unterlagen beschlagnahmt, die ausnahmslos mit Anjo und seinen Machenschaften in Verbindung standen. Über die beiden Jahre hinweg waren beinahe eintausend Patienten mit nicht zugelassenen Medikamenten behandelt worden, und dafür hatte Doktor Gustavo über eine Million US -Dollar kassiert. 167 Patienten waren in dieser Zeit verstorben, doch nach erstem Überblick handelte es sich ausnahmslos um Menschen, die unheilbar erkrankt waren und denen die Ärzte nur noch wenige Monate eingeräumt hatten. Im Grunde genommen war dem Arzt in dieser Sache nicht viel vorzuwerfen, außer dass er Behandlungen mit illegalen Präparaten durchgeführt hatte, die den Menschen offenbar eher geholfen als geschadet hatten. Dennoch hatte Zagallo große Probleme mit dem Verhalten des Doktors, der sich in seiner Vernehmung am Ende sogar noch als großer Wohltäter der Menschheit dargestellt hatte. Das Geld, das er dafür genommen hätte, wäre nicht mehr als der gerechte Lohn für seinen fürsorglichen Umgang mit verarmten Patienten gewesen. Hätte er sich ausschließlich reicher und betuchter Bürger der Stadt angenommen, so wie es einige seiner Kollegen täten, dann hätte er für weitaus weniger Arbeit ein Vielfaches verdient. Diesem Aspekt konnte nicht einmal Zagallo widersprechen. Doch ein Unrechtsbewusstsein besaß Doktor Gustavo offensichtlich nicht.
» Sieben Patienten hat er an Anjo vermittelt«, erklärte Zagallo und wies auf die braunen Aktenordner, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. » Todkranke Menschen, denen kein Arzt mehr helfen konnte und die man längst aufgegeben hatte. Allesamt an Blutkrebs in einem unheilbaren Stadium erkrankt, und keiner dieser Menschen ist von den Angehörigen
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