Mutiert
Urucará, Amazonasgebiet
» Sie haben sich gemeldet«, sagte Coronel Santoro, nachdem er Anne Arlette Platz angeboten hatte. Vor zwanzig Minuten war sie von Doktor Braga abgeholt und auf die Barroso gebracht worden.
» Wo sind sie, geht es ihnen gut?«, sprudelten die Fragen nur so aus Anne Arlette heraus.
» Sie liegen unter Beschuss«, antwortete der Offizier. Er ging zu der großen Karte, die auf dem Tisch lag, und zeigte auf einen gelben Pfeil. » Ihrer Positionsangabe nach befinden sie sich derzeit etwa vier Kilometer nördlich der verlassenen Flusssiedlung in der Nähe des Lago Maracarana. Dort ist eine große Lichtung verzeichnet. Unser Einsatztrupp ist bereits auf dem Weg dorthin. Sie werden das Gebiet in knapp einer Stunde erreichen.«
» Geht es ihnen gut?«, wiederholte Anne ihre Frage.
» Bislang haben wir keine weiteren Informationen. Der Kontakt ist wieder abgebrochen. Wir wissen nur, dass sie dort offenbar auf eine Bande von Schmugglern gestoßen sind und dass es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung gekommen ist. Über Verluste oder Verletzte ist uns nichts bekannt.«
» Aber wir können doch nicht einfach hier warten, bis …«
» Senhora Arlette, unsere Einheiten sind dorthin in Marsch gesetzt. Es ist eine Luftlandedivision, die aus achtzig Mann besteht. Der Capitão ist ein erfahrener Mann. Ich denke, in einer Stunde wissen wir mehr.«
Es klopfte an der Tür. Der Coronel richtete sich auf. » Herein!«, brüllte er.
Ein Soldat betrat den Kommandoraum und salutierte. » Neue Meldung aus Brás«, sagte er und reichte dem Coronel ein Blatt Papier. Ungeduldig wartete Anne, bis der Coronel die Information gelesen hatte.
» Ist … ist etwas passiert?«
Der Coronel schüttelte den Kopf. » Offenbar ist es ihnen gelungen, die Bande dort zu binden. Es handelt sich um ein geheimes Flugfeld, das von den Schmugglern als Landebahn genutzt wurde. Tenente Farraz hält die Verbrecher dort in Schach. Sie warten auf Verstärkung.«
Anne musterte den Coronel mit aufmerksamem Blick. Das Zucken seiner Augenwinkel entging ihr nicht, sie ahnte, dass er ihr nicht alles gesagt hatte.
» Was ist los, da ist doch noch etwas«, fragte sie.
Der Coronel räusperte sich und nahm auf einem Stuhl Platz.
» Die Landeoperation wird nicht einfach, es handelt sich um mindestens zwanzig schwer bewaffnete Männer, die einen Teil des Flugfeldes kontrollieren.«
Anne zögerte. » Das ist nicht alles«, entgegnete sie. » Was ist passiert?«
Der Coronel fuhr sich über das Kinn. » Es gab Verluste«, antwortete er knapp.
» Verluste?«
» Ihr Kollege, Senhor Pinto«, antwortete er mit brüchiger Stimme. » Er ist tot.«
49
Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
Anjo lag gut bewacht in einem Einzelzimmer im Hospital Samaritano in der Rua Vereador Jorge Witzak. Er hatte sich gut von seinen Verletzungen erholt. Der Bauchschuss, den er bei seiner Verhaftung erlitten hatte, war nicht lebensbedrohlich gewesen, dennoch war der alte, weißhaarige Mann noch immer schwach. Als Zagallo in Begleitung von Tenente Falcáo das Zimmer betrat, erhoben sich die beiden uniformierten Polizisten und salutierten.
» Warten Sie bitte draußen!«, sagte Zagallo. Als die Polizisten den Raum verlassen hatten, zog Zagallo ein Diktiergerät aus seiner leichten Sommerjacke, schaltete es ein und legte es auf den kleinen Beistelltisch.
» Ich bin Capitão Zagallo von der Kriminalpolizei«, stellte er sich vor. » Das ist mein Kollege Falcáo. Wie ist Ihr Name?«
Der weißhaarige Mann, Zagallo schätzte ihn auf Mitte sechzig, warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder abwandte und schweigend an die Decke starrte.
» Sie wissen, weswegen Sie verhaftet wurden?«
Der alte Mann reagierte nicht.
» Anjo, der weißhaarige Engel«, fuhr Zagallo fort. » Ein Engel mit einer rabenschwarzen Seele. Wie viele Menschen haben Sie auf dem Gewissen? Zehn, zwanzig, hundert?«
Anjo richtete sich auf. » Ich habe niemandem etwas zu Leide getan«, antwortete er mit brüchiger Stimme.
» Wir haben unzählige Leichen gefunden«, hielt ihm Zagallo entgegen. » Organe waren ihnen entnommen worden, bevor man sie auf den Blumenfeldern in Varzeá Grande verscharrte. Und wir wissen, dass Sie hinter diesem Massaker stecken. Wie viele Dollars bringt eine Leber, eine Niere oder ein gesundes Herz?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. » Sie haben keine Ahnung«, antwortete er knapp. Ein abfälliges Lächeln huschte über sein Gesicht.
» Alter Mann, Sie werden in
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