Mutiert
Boot sich dem Ufer näherte, fiel dem Cabo auf, dass ein künstlicher, mit Erde und Gras bewachsener Anleger in den See ragte.
» Hier wurde das Gold auf unsere Boote verladen«, erklärte Joao. » Es waren einfache Fischerboote, Cardoso meinte, ein Flussdampfer würde auffallen. Er hatte Recht. Wenn wir mit unseren Fischerbooten den Fluss hinunterfuhren, wurden wir nie von den Patrouillenbooten der Polizei oder der FUNAI kontrolliert. Die großen Schiffe wurden öfters überprüft, aber uns ließ man in Ruhe.«
» Wie weit ist die Goldmine von hier entfernt?«, fragte Tenente Farraz, als das Boot gegen den Anleger schlug und einer der Soldaten von Bord sprang, um es an einem Baumstumpf festzumachen.
Joao schaute in den undurchdringlichen Dschungel, der vor ihnen lag. In einiger Entfernung stieg das Gelände an. Joao zeigte auf den Gipfel des Hügels. » Dort oben, etwa zwei Kilometer«, erklärte er.
» Wie habt ihr das Gestein hierher geschafft?«, fragte der Cabo.
Farraz’ Männer sprangen von Bord und übernahmen mit ihren Maschinenpistolen die Sicherung des Geländes.
» Mit Karren und Maultieren«, antwortete Joao.
» Maultiere?«, fragte der Cabo. » Wir haben keine Maultiere in eurem Lager gefunden.«
» Garamon hat sie erschießen und verbrennen lassen«, erklärte der Gefangene. » Er glaubte, dass sie die Krankheit in sich trugen, die sich unter Cardosos und Nelios Männern ausgebreitet hatte. Es kam danach niemand mehr hierher.«
Luisa Behringer trat an die Seite der Männer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. » Wir werden Schutzanzüge tragen«, sagte sie. » Es kann sein, dass es hier Fliegen gibt, die den Erreger in sich tragen.«
» Es wird verdammt heiß heute werden«, wandte der Cabo ein.
» Ich weiß, aber wir haben keine andere Wahl«, erklärte Luisa Behringer.
Microbiological and Biomedical Laboratories, CDC , Atlanta
Joanna Kim hatte unruhig geschlafen. Mitten in der Nacht war sie aufgewacht und hatte sich an den Computer gesetzt. Eigentlich hätte sie mit sich und ihrer Arbeit zufrieden sein müssen. Erst am gestrigen Abend hatte ihr der Direktor anerkennend auf die Schultern geklopft. In nur wenigen Wochen war es ihr und ihrem Team gelungen, das Jatapu-Virus weitestgehend zu analysieren und den Bauplan des gefährlichen Erregers zu entschlüsseln. Überdies hatte man mit dem Medikament Euralvirin einen prophylaktischen Wirkstoff entdeckt, der die Ausbreitung des Virus in der beginnenden Infektionsphase eindämmen konnte. Und darüber hinaus wurde mit der Verabreichung von Natrium-Bicarbonat während der akuten Infektionsphase zumindest in Laborversuchen ein Heilungseffekt erzielt, der sich in den klinischen Tests zwar noch bestätigen musste, aber die erzielten und mittlerweile verifizierten Laborergebnisse erschienen äußerst vielversprechend. Joanna Kim hatte Übermenschliches geleistet und seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen. Dennoch hatte sie ein ungutes Gefühl im Bauch. Die Feststellung der Kollegin aus dem Molekulargenetischen Labor ließ sie einfach nicht zur Ruhe kommen. In der RNA -Struktur hatte die Molekularbiologin Hinweise auf einen Marker entdeckt, der in dieser Form und Sequenz in der Natur noch nicht beobachtet worden war. Dieser Marker und diese Verbindung konnten durchaus in einem Labor ihren Ursprung haben. Joanna Kim dachte an ihre Zeit als junge Doktorandin an der Universität von Chicago. Damals, als Macombie noch die Laborleitung inne hatte. Sie versuchte, sich noch an den Namen ihres damaligen Kollegen zu erinnern, mit dem sie etliche Experimente durchgeführt hatte und der dem Professor in Ehrfurcht ergeben war. Allmann oder Aldmann war sein Name gewesen, er hatte mit Vorliebe an den DNA -Strukturen diverser Viren herumgeschnipselt, sie auseinandergeschnitten und wieder zusammengesetzt. Was war aus ihm geworden?
Als sie die Seite der Firma MedCom in Boulder, Colorado, aufrief, bei der mittlerweile Professor Macombie in leitender Stellung arbeitete, stieß sie auf den Namen Rodger Altmann. Leider war kein Foto der Mitarbeiter hinterlegt, aber es könnte sich durchaus um ihren damaligen Kollegen aus dem Uni-Labor in Chicago handeln.
Sie überlegte. Eigentlich war ihre Aufgabe hier so gut wie abgeschlossen. Wenn morgen die letzten Testergebnisse vorlagen, dann wäre es an der Zeit, das Team aufzulösen, die Überstunden abzufeiern und sich wieder den normalen Dingen des Lebens beziehungsweise des Laborlebens zuzuwenden. Zwei Wochen frei
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