Mutiert
stark genug ist.«
Sie wusste, dass Pater Innocento die dunkle, fast schwarze Röstung bevorzugte.
» Er ist voller Aroma.«
» Dann gerne, mein Kind.«
Lila erhob sich und verschwand in der Wohnung, um kurz darauf mit einer dampfenden Tasse wieder aufzutauchen.
» Ich hörte, heute starb eine Frau, die im Dschungel gefunden wurde?«, begann Pater Innocento die Unterhaltung.
» Alonso dachte, sie wäre von einer Schlange gebissen worden«, berichtete Lila. » Aber die Symptome lassen einen anderen Schluss zu. Es gab Streit, weil er sie nicht auf die Isolierstation bringen ließ. Das ist nun mal Vorschrift, wenn der Verdacht auf eine unbekannte bakterielle Erkrankung hindeutet. Aber selbst Williamson hält sich nicht an die Regeln. Dabei wandeln wir jeden Tag an einem Abgrund.«
Der Pater nickte. » Du nimmst deinen Beruf sehr ernst, und ich weiß, dass du hier einen schweren Stand hast. Williamson war auch einmal ein ausgezeichneter Arzt. Er kam in den Dschungel und war voller Illusionen. Doch irgendwann hat ihn dieser Geist verlassen, und nun trauert er einem verlorenen Leben nach, das ihm niemand mehr zurückgeben kann.«
» Williamson ist ein Säufer«, konterte Lila. » Er gehört längst abgelöst. Er zittert, wenn er nichts getrunken hat. Er kann noch nicht einmal ein Bein schienen, wenn er sein Quantum nicht zu sich genommen hat. Und Alonso streicht ihm um die Beine wie eine läufige Hündin.«
» Aber dennoch hat dich Gott für diese Aufgabe ausgewählt, und seine Wahl war ausgezeichnet«, versuchte Pater Innocento Lila zu beruhigen. » Ich denke, er hat noch viel mit dir vor. Dein Vorgänger war längst nicht so stark wie du. Er hat sich schnell angepasst und ist in Williamsons Fahrwasser geschwommen. Ich verstehe dich, wenn du verzweifelst, aber ich bin überzeugt, dass das nur eine kurz Phase ist. Die Menschen hier erkennen, wer es ehrlich mit ihnen meint. Und sie sind dankbar, wenn man ihnen hilft. Das ist tausend Mal mehr wert als sich im Selbstmitleid zu verlieren.«
Lila trank ihre Tasse leer.
» Der Kaffee ist gut«, lobte Pater Innocento das starke Gebräu.
» Und was führt den einzigen Menschenfreund in dieser tristen Gegend in die Stadt?«, fragte Lila.
» Medikamente«, antwortete der Pater. » Einige meiner Schäfchen haben sich einen üblen Durchfall eingefangen, weil sie wieder einmal nicht auf ihren Hirten hörten.«
» Das Wasser?«
» Richtig«, entgegnete der Pater. » Ich sehe, du kennst die Menschen hier bereits ein wenig.«
Lila lächelte. » Weniger die Menschen, aber ganz gut das Wasser aus unseren Brunnen. Vor allem, wenn man es nicht vorher abkocht.«
Brás am Rio Jatapu, Amazonasgebiet
Die Reparatur der beiden Motoren war nicht ganz so einfach gewesen wie anfänglich angenommen. Offenbar hatte das alte Boot, das aus den sechziger Jahren stammte und bereits für die US -Army im Vietnamkrieg im Einsatz gewesen war, die beste Zeit hinter sich. Vor vier Jahren war es bei einer Auseinandersetzung der Militärpolizei mit der Holzmafia in Belém beschlagnahmt und für die Direktion in Manaus in Dienst genommen worden. Der Antrieb, der ohne Schiffsschraube auskam und bei dem das Wasser wie durch eine Art Düse getrieben wurde, war ideal für flache Gewässer voller Pflanzen.
Doch nun war nach den Motoren auch die Stromversorgung nach und nach zusammengebrochen. Das Funkgerät funktionierte nach wie vor nicht, und es gab keine Satellitentelefone an Bord. Auch die Handys, die mittlerweile in Brasilien weit verbreitet waren, taugten mitten im Dschungel nicht zur Kommunikation. Die Besatzung des Patrouillenbootes musste den nächsten Ort erreichen, um Hilfe zu holen.
Immerhin gelang es den Soldaten, einen der Motoren so weit in Stand zu setzen, dass er zumindest auf viertel Kraft lief. So glitt das Boot bei Tagesanbruch langsam und mit geringer Geschwindigkeit durch das Wasser. Brás war noch weit entfernt, und der Kommandant hoffte, dass der stotternde Motor wenigstens bis zu der knapp fünfzig Kilometer entfernten Stadt im Dschungel halten würde.
Auf den großen Flüssen waren viele Boote unterwegs: Fischerboote, Langboote, kleinere Passagierdampfer und größere Frachtschiffe, die bis Manaus und sogar noch ein ganzes Stück weiter auf dem tiefen und kilometerbreiten Strom fahren konnten. Doch hier auf dem Rio Jatapu begegneten dem Patrouillenboot keine weiteren Schiffe mehr, zumal in dieser Jahreszeit nur noch selten Expeditionen abenteuersüchtiger Touristen
Weitere Kostenlose Bücher