Mutiert
Cabo. » In dieser Zeit verirren sich nur wenige Touristen hierher. Und die Ribeirinhos werden wegen der Toten nicht anhalten. Sie wissen, wie gefährlich es ist, wenn man sich zur falschen Zeit am falschen Ort sehen lässt.«
» Was ist es dann, was dich so nachdenklich stimmt?«
» Wir haben das Dorf durchsucht«, fuhr der Cabo fort. » Wir fanden neunundzwanzig Leichen, sieben weitere schwammen im Wasser und mit der Frau von der Mündung und den beiden Toten im Boot sind das zusammen neununddreißig.«
» Und?«
» In dieser Siedlung lebten mindestens siebzig Menschen. Wo sind die restlichen dreißig abgeblieben?«
8
Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
Der alte Mann hatte die Wahrheit gesagt. Tatsächlich wurde in dem Viertel, in dem Porceá festgenommen wurde, immer am Abend der Müll herausgestellt. Dann wimmelte es in der vornehmen Siedlung, die auch Klein-Italien genannt wurde, nur so von Favelas, den Bewohnern der Elendsviertel. Denn in den Abfalleimern vor den feinen Bungalows der Wohlhabenden machten die Armen reiche Beute.
Das Viertel hatte seinen Spitznamen den unzähligen befestigten Straßen zu verdanken, die nach den großen italienischen Städten benannt waren. Venedig, Ancona, Palermo, Modena, Neapel, Bergamo – und auch die Hauptstadt Rom durfte nicht fehlen. An der Avenida Italia wohnte die obere Mittelschicht und in ihrem Müll fand sich allerhand Brauchbares für die Menschen, die nichts ihr Eigen nennen konnten außer einer alten Hütte in den Außenbezirken. Auch die Sache mit dem Wagen des Alten war von Falcáo überprüft worden. Ribeiro, der Besitzer des schwarzen VW Caddy, schied als Täter aus, denn er hatte vor Jahren bei einem Brand den linken Arm verloren, und die Finger an seiner rechten Hand waren verkrüppelt. Ribeiro war ein gezeichneter Mann, der sein Geld draußen in den Blumenfeldern in der Nähe des Pantanal verdiente.
Porceá wetterte lautstark, als ihn Zagallo aus seinem düsteren und stinkenden Verlies befreite.
» Ich habe neun Kinder und eine gefräßige Frau. Wie soll ich sie nun satt bekommen«, klagte er. » Es gibt nichts mehr, wenn die Heuschrecken über die Felder hergefallen sind.«
» Es tut mir leid«, beschwichtigte Zagallo.
» Davon kann ich mir nichts kaufen. Schon seit ein paar Jahren sammle ich den Müll in Klein-Italien, und noch nie hat jemand danach gefragt. Und jetzt sperrt ihr mich in dieses dunkle Loch. Was soll ich jetzt nur tun. Es gibt keine Arbeit auf den Blumenfeldern in Varzeá Grande.«
» Ich tue auch nur meine Arbeit«, entschuldigte sich Zagallo und griff in seine Tasche. Er zog einen Schein aus seiner Brieftasche. » Fünfzig Real sind wohl angemessen für die Unannehmlichkeiten. Aber das ist eine einmalige Sache, dass wir uns richtig verstehen.«
Der alte Mann sank auf die Knie und küsste Zagallo die Hände. » Danke, ich danke dir, du bist ein guter Mensch. Danke.«
» Das ist nicht geschenkt«, antwortete Zagallo und entzog ihm seine Hände.
Porceá schaute den Polizisten fragend an.
» Du hast von den Morden gehört?«
Der alte Mann blickte zu Boden und bekreuzigte sich. » Eine schlimme Sache.«
» Ja, eine schlimme Sache. Ich will den Mörder fassen, und du wirst mir dabei helfen.«
» Helfen, heilige Maria, wie soll ich helfen? Ich bin ein armer alter Mann.«
» Aber du kennst die Stadt, du kennst die Leute. Ich brauche Informationen. Wir suchen einen dunklen Pick-up und einen Menschen, dem keine Gräueltat zuwider ist.«
Porceá richtete sich auf und steckte die fünfzig Real in die Tasche seiner zerlumpten und löchrigen Hose.
» Ich werde mich umhören«, antwortete er nach einer Weile.
» Wenn du mir gute Informationen lieferst, dann gibt es noch einmal fünfzig Real, und wenn wir den Täter durch deine Hilfe fassen, dann verspreche ich dir eine satte Belohnung. Derzeit gibt es eintausend Real. Damit kannst du dich ein ganzes Jahr auf die faule Haut legen.«
» Tausend Real, das ist eine Menge Geld für mich.«
» Überleg es dir gut«, antwortete Zagallo. » Aber wenn du uns narrst, dann wird es dir schlecht ergehen.«
Porceá nickte.
Zagallo begleitete ihn durch die überfüllte Wache und brachte ihn zur Tür, wo sein Caddy bereits vorgefahren worden war. Außer jeder Menge Schmutz und Erde hatten die Spezialisten keine weiteren Spuren im Innenraum gefunden. Und am Messer, das in den Labors untersucht worden war, gab es lediglich Spuren von Pflanzenresten.
Zagallo blickte dem dunklen VW Caddy nach, als
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