Mutiert
Schließlich ist es uns gelungen, das Mapucho-Virus schnell zu isolieren und die Zahl der Infektionen einzudämmen.«
» Ich denke, Sander wird sich mit Doktor Madson arrangieren, was bleibt ihm ansonsten übrig?«
Der Direktor runzelte die Stirn. » Ich hoffe es, wir brauchen schleunigst Ergebnisse. Die Regierungen in der Region sind unruhig. Der Druck auf uns steigt mit jeder Stunde, die vergeht. Wenn weitere Fälle auftreten, werden wir die Phase 6 ausrufen müssen, und das hat weitreichende Konsequenzen für die Menschen und die Wirtschaft.«
» Dieses Mal sind wir besser gerüstet, die Labore sind bereit, und die Pharmaindustrie wartet schon auf unsere Ergebnisse.«
Der Direktor lächelte. » Ihr Wort in Gottes Ohr, wenn ich an den Kongo denke, dann bekomme ich immer noch eine Gänsehaut. Eines Tages wird eine Gattung auftauchen, die unsere Menschheit dahinrafft, weil wir in unserer schnelllebigen und kleinen Welt nichts dagegensetzen können. Ich hoffe nicht, dass es schon das Jatapu-Virus ist, das unser Ende besiegelt.«
Acampamento dos infectados nahe Urucará, Amazonasgebiet
Die Petrischalen mit den Zellkulturen lagerten im Inkubator bei 38 Grad Celsius. Anne Arlette hatte verschiedene Nährmedien verwendet und dort die Zellen mit dem Blutplasma und dem Urin der Infizierten vermengt. Insbesondere die Kulturen, die von Schwester Violantes Blut angelegt worden waren, standen hierbei unter intensiver Beobachtung. Es war wichtig zu erfahren, ob das Virus tatsächlich mutiert war und seine Übertragungseigenschaften verändert hatte. Doch zuallererst musste das Virus nachgewiesen werden; bislang gab es ja nur Vermutungen und Spekulationen. Die Kulturen, die aus den von Pater Innocento ins Onkologische Zentrum nach Manaus gebrachten Blutproben angesetzt worden waren, hatten sich für eine nähere Untersuchung als untauglich erwiesen.
Anne Arlette trug einen Ganzkörperschutzanzug der Sicherheitsstufe 1 und streckte ihre Hände in die dicken Handschuhe der Sicherheitsvitrine. Dort träufelte sie infizierten Urin in eine Schale, die mit MacConkey-Agar, einem Selektivnährboden, gefüllt war. Es kam darauf an, das Virus so schnell wie möglich zu identifizieren, um endlich zu einer antiviralen Medikation zu gelangen. Doch hierzu mussten in den Petrischalen erst einmal genügend Viren für die molekularbiologischen Untersuchungen herangezüchtet werden. Anne arbeitete mit Hochdruck an ihrer Aufgabe. Zur Verstärkung war ihr von der amerikanischen Seuchenbehörde CDC eine Laborantin zugeteilt worden, gegen die sich Anne anfangs vehement gewehrt hatte, weil sie es gewohnt war, alleine zu arbeiten. Doch es war nun mal Vorschrift, dass der abgeschirmte und kameraüberwachte Sicherheitsbereich des Labors weder allein noch in Begleitung unautorisierten Personals betreten werden durfte. Deshalb hatte sie schließlich kapituliert und zähneknirschend zugestimmt. » Sie kann mir bei der Arbeit zusehen, aber sie soll ihre Finger im Zaum halten.«
Während Anne im Labor beschäftigt war, hatte sich Professor Sander in die Isolierstation begeben, um die erkrankte Schwester Violante einer ausgiebigen Untersuchung zu unterziehen. Er war überrascht, als er vor dem Isolierzelt auf Pater Innocento stieß, der dort auf einer Bank saß und die Hände gefaltet hielt.
» Ich dachte, das hier ist Sperrgebiet?«, fragte er den brasilianischen Armeeoffizier, der ihn begleitete.
» Ich finde, diese Menschen haben bei all der medizinischen Versorgung, die ihnen hier zuteilwird, auch eine seelische Betreuung verdient«, sagte Pater Innocento, der die englischen Worte des Professors verstanden hatte.
Professor Sander hob entschuldigend die Hände. » Oh, Verzeihung, das geht nicht gegen Sie, Hochwürden. Aber eine Isolierstation sollte sich nicht auf Durchgangsverkehr einlassen. Es ist viel zu gefährlich, und solange nicht geklärt ist, auf welchem Weg unsere Patientin infiziert wurde, muss ich leider darauf bestehen, dass keinerlei Besuch zugelassen wird.«
» Hören Sie«, antwortete Pater Innocento. » Ich bin mit Doktor Faro aus São Sebastião hierhergekommen, ich war dabei, als dort die Krankheit ausbrach, und ich habe eigenhändig das Blut der Unglückseligen nach Manaus zur Untersuchung gebracht. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass ich meine Hände in den Schoß lege und den lieben Tag an mir vorbeiziehen lasse. Ich bin hier, um den Kranken zu helfen, und zwar auf meine Art. Schwester Violante wird sterben, wenn ihr
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